WOFÜR ENTSPANNT PRODUKTIVE-FÜHRUNG DIE WELT VERBESSERT
Christian: Hallo Michael.
Michael: Christian!
Christian: Michael wir haben uns jetzt sehr viele Podcast-Episoden lang darüber unterhalten, wie ich entspannte Produktivität im Unternehmen umsetzen kann. Wir haben über Kommunikation gesprochen, über Kultur. Was wir bisher tatsächlich so ein bisschen vernachlässigt haben, sind zwei sehr große Punkte außerhalb des Unternehmens nämlich „wie kann ich jetzt meine Kultur nach außen transportieren, um Kunden zu kriegen?“. Wir haben ja beim purpose drüber gesprochen „warum machen wir das abgesehen vom Geld verdienen und abgesehen vom Arbeitsplätze halten“. Über das Geld verdienen haben wir noch gar nicht gesprochen und die Kommunikation nach außen. Wie kriege ich denn jetzt das Ganze, was wir in den letzten Episoden besprochen, nach außen transportiert? Wie merken meine Kunden „hey, die haben eine Unternehmenskultur, die stehen für irgendwas und die machen die Sachen, die sie machen aus einem bestimmten Grund?“.
Michael: Da würde ich gerne einen ganz großen Bogen spannen. 300.000 Jahre Homo Sapiens haben dazu geführt, dass wir als Menschen jeder für sich ganz gut darin sind, Beziehungen zu anderen aufzubauen, Beziehungen zu erkennen, zu erkennen wer ähnlich und anders ist und haben in unserem Verhalten, Thema Rapport, eine Bezogenheit zueinander entwickelt. Das steckt nach 300.000 Jahren tief in unseren Verhaltensweisen drin und es gibt seit 100, 120, 150 Jahren den Begriff einer Marke. Seitdem hat sich dieser Begriff weiterentwickelt zu dem, was er heute geworden ist und für sehr große Bewertungen an Börsen steht, 30 % des Wertes einer Firma ist die Marke, also einfach nur der Name. Da muss ich mich erstmal fragen „wem gehört die Marke und wo existiert die eigentlich, wenn die so viel Geld wert ist“. Die existiert nur in meinem Kopf. Eigentlich die Marke „Coca Cola“, „Disney“ und so weiter „wem gehört die, wo existiert die?“. Bei dir und bei mir im Kopf. Wir modellieren die da auf eine Art und Weise so wie wir einen anderen Menschen modellieren, wie wir in Bezug zu einem anderen Menschen stehen. So ist eine Marke wie ein anderer Mensch in unserem Leben für uns geworden. Etwas sehr emotionales und menschliches.
Christian: Das heißt ich kann ja auch einen anderen Menschen nur danach einschätzen und kennenlernen, wie er sich mir gegenüber verhält und ich weiß ja nicht, wie ein Mensch wirklich ist. Ich kann ja nur davon ausgehen, dass mein Gegenüber so ist wie ich es auch empfinde und genauso ist es auch beim Unternehmen. Das heißt ich weiß auch bei einem Unternehmen gar nicht „wie ist das Unternehmen denn wirklich“, sondern ich erlebe ja nach außen hin nur die Marke.
Michael: Ist das Thema Ausstrahlung. Ausstrahlung, Kommunikation und beim Zwischenmenschlichen reden wir ja gerne und oft darüber wie wichtig das für eine Führungskraft ist, flexibel zu sein in der Ausstrahlung und in der Kommunikation mit verschiedenen Typen. Das sehe ich bei einer Marke ein bisschen anders.
Christian: Also wenn du jetzt eine Marke hättest, die immer flexibel auf jeden eingeht, wird sich ja nicht rumsprechen, dass die gut ist.
Michael: Stichwort Differenzierung. Differenzierung ist bei einer Marke sehr wichtig. Für eine Führungskraft ist das eher schwierig. Wenn ich mich da sehr stark differenziere, dann kriege ich eventuell nicht die Ergebnisse umgesetzt, die ich möchte. Für eine Marke ist es aber wichtig. Da denke ich immer an den schönen alten Blues-Brothers Film. Da hat ja einer von den beiden die Tattoos auf den Fingern drauf, wenn der so die Fäuste in die Kamera hält, bei Jake und Elwood. Jake ist glaube ich der mit den Tattoos, da steht dann „love“ drauf und „hate“ auf der anderen. Das ist eine Eigenschaft von starken Marken. Die werden geliebt und gehasst, manchmal gleichermaßen aber wenige Menschen haben gar keinen Bezug dazu, also sind indifferent. Die sagen „ist mir egal“. Wenn ich jetzt McDonald‘s nehme, da gibt es Menschen, die lieben McDonald‘s und finden das toll und mit der family und mit den Kindern und es schmeckt fantastisch und es gibt Menschen, die hassen das. Ist nicht gesund, da wird man dick von, nicht sustainable, was weiß ich was die Gründe sind. Es gibt sehr viele Menschen, die McDonald‘s lieben oder hassen, es gibt relativ wenige Menschen, die dazu keine Meinung haben. Deswegen ist McDonald‘s eine starke Marke. Jetzt zu unserem Thema hier mit der Kommunikation und der ganzen Psychologie, dieser schöne Spruch „people like people who are like themselves“, der trifft auch hier wieder schön zu, es gilt dann auch „people like brands who are like themselves“. Ich suche mir ja eine Marke danach aus, was zu mir passt.
Christian: Außer du bist ein miss-matcher.
Michael: Außer ich bin ein miss-matcher, dann suche ich mir vielleicht mal was krass anderes raus, um einen Kontrast darzustellen. Gute Beobachtung. Wenn ich jetzt an Menschen denke, die vielleicht miss-matcher sind, wie die mit Marken umgehen, dann gehen die tatsächlich anders mit um. Die suchen die vielleicht eher nach Protest aus oder eher um damit einen Unterschied zu setzen und eben nicht mit der Mehrheit zu schwimmen, das ist dann immer so die Differenzierung von der Differenzierung quasi, ich miss-matche über das was eigentlich zu mir passt, weil ich es nicht mag, wenn da was ist, was zu mir passt. Vielleicht gehen wir wieder zurück zu den matchern.
Christian: Im Unternehmen habe ich ja auch die Werte, die ja auch schon polarisieren. Die Mitarbeiter im Unternehmen lieben im besten Fall die Werte und diejenigen, die damit überhaupt nichts anfangen können, gehen halt woanders hin. Wie kriege ich jetzt diese Übersetzung aus dem Unternehmen heraus auf die Marke geschafft?
Michael: Das sind die zwei Seiten einer Medaille. Ich stelle mir gerade eine Münze vor und auf der einen Seite der Münze stehen quasi die Werte, die company values, die core values mit den schönen Definitionen, haben wir ja auch schon drüber gesprochen. Auf der anderen Seite der Münze steht die Persönlichkeit der Marke. Das ist nicht ganz das Gleiche. Werte im Unternehmen und Persönlichkeit, die die Marke nach außen ausstrahlt, ist nicht das Gleiche und ich nutze am liebsten das Wort „kongruent“. Die müssen kongruent zueinander sein, wenn ich möchte, dass es gut funktioniert.
Christian: Woran erkenne ich denn, dass es kongruent ist? Oder anders gefragt: Woran würde ich denn erkennen, dass es nicht kongruent ist?
Michael: Das Stichwort dabei ist Authentizität. Wenn jemand sagt „das ist überhaupt nicht authentisch, das kauft denen ja keiner ab, das passt gar nicht zu denen“, dann bin ich an einem Punkt, wo diese zwei Seiten der Medaille nicht zueinander kongruent sind und dann wird es mir auch als Firma schwerfallen am Markt etwas zu projizieren, was ich von innen gar nicht bringe. Nehmen wir mal eine Marke die nach außen ausstrahlt „wir umsorgen dich, wir kümmern uns um dich, bei uns bist du gut aufgehoben, die Harmonie mit der Gruppe ist wichtig, happy family“.
Christian: Klingt nach einer Versicherung auf Gegenseitigkeit.
Michael: Wenn ich jetzt in Unternehmen kulturelle Werte habe wie „wir geben Gas, wir schätzen Ergebnisse, bei uns kommt es auf die Sache an“, dann sind das Werte, die zu so einer harmonischen Ausstrahlung, wie ich sie eben beschrieben habe, nicht passen würden. Dann liegt es auch relativ nah, dass es den Menschen im Unternehmen schwerer fallen wird nach außen so eine Marke auszustrahlen, die eigentlich entgegengesetzt zum inneren Gefüge ist.
Christian: Das heißt wenn ich bei dem Beispiel der Versicherung bleibe, würde ich das als Kunde erkennen, weil wenn ich einen Schadensfall habe, total über den Tisch gezogen werde. Ich kriege die Sache nicht genehmigt, ich kriege niemanden ans Telefon, ich würde das dann tatsächlich spüren, dass es nicht stimmt.
Michael: Genau. Das sind Marke und Kultur als zwei Seiten einer Medaille und wenn ich jetzt die Gelegenheit habe, was in Wachstumsfirmen und in Start-Ups sowieso oft so ist, dass von Anfang an mir wichtig ist eine großartige Marke aufzubauen, dann ist ein toller erster Schritt an die Kultur ranzugehen und purpose, vision, values zu machen, die Strategien sind gar nicht so wichtig dafür, weil das die Grundpfeiler sind, die klarmachen, wofür die Firma existiert, wo sie hingeht und wie die Werte sind, wie die Firma sich verhält. Wenn ich dann besonders die Werte und den purpose klar definiert habe, dann ist ein zweiter Schritt zu gucken „okay, was ist am Markt noch los“, der kompetitive Überblick, was sind die anderen Player am Markt und wie treten die als Marken auf und gibt es da eine Lücke? Oder mit meiner Kultur, wo ich meine Stärken habe in den Verhaltensweisen, gibt es da vielleicht schon jemanden und dann suche ich idealerweise nach einer Lücke, wo ich mich gut differenzieren kann mit meinen Stärken intern um dann extern auch was auszustrahlen, was hoffentlich noch keiner ausstrahlt. Das ist der beste Fall.
Christian: Die Kultur im Unternehmen, da habe ich ja nur einen beschränkten Spielraum, wenn ich jetzt ein neues Unternehmen gründe, das tatsächlich zu gestalten. Das hängt viel von den Gründern ab, von den ersten Mitarbeitern, von der eingebauten DNA des Unternehmens, das heißt die entdecke ich ja eher. Ich entdecke die Kultur und beschreibe die und versuche die dann den neuen Mitarbeiter mitzugeben. Bei der Marke habe ich ja viel mehr Gestaltungsfreiheit. Oder täusche ich mich da?
Michael: Ja und nein. Zu dem ersten Teil: Auf jeden Fall. Als Gründer bringe ich meine eigene Persönlichkeit mit ein und mein eigenes Wertebild und das fließt dann auch in die Kultur ein, die ich in der Firma aufbaue. Das passiert fast von ganz alleine und wenn ich mir dessen bewusst bin, kann ich besonders sauber und effektiv gestalten, dass da eine starke Kultur entsteht.
Christian: Viel Wahl habe ich da tatsächlich nicht oder? Außer es gut zu formulieren.
Michael: Die Werte intern oder die Marke extern?
Christian: Intern.
Michael: Als Gründer eine Firma aufzubauen, die einen anderen Wertekodex hat als mein eigener Wertekodex ist schon schwierig. Da fühle ich mich dann irgendwann in meinem eigenen Unternehmen nicht mehr wohl. Kann ich mir schwer vorstellen. Wenn ich das wirklich so dissoziiert schaffe da heranzugehen einfach nur als Start-Up-Gründer und sage „das mache ich nur für ein Jahr und dann übergebe ich es an jemand anders oder an eine andere Struktur oder wir machen irgendwie einen Deal“, vielleicht kann das gehen. Ich glaube aber nicht, dass das für den Menschen so schön ist, der das macht noch für die Firma, wie wenn es zueinander passt.
Christian: Und wenn ich jetzt eine große, alteingesessene Firma habe und ich will da die Kultur verändern, dann wäre das ein Change-Management letztlich? Das sind ja immer ziemlich große Projekte, die lange dauern und manchmal funktionieren.
Michael: Ja im Business ist das die größte Challenge, die ich haben kann. Wenn ich ein Unternehmen wirklich im Kern ändern will, da gibt es ein paar Geschichten, wo das geklappt hat und viele Geschichten, wo es nicht geklappt hat.
Christian: Wir waren außerhalb. Bei der Marke habe ich jetzt viel mehr Gestaltungsmöglichkeit. Ich darf halt darauf achten, dass es kongruent ist zur Kultur?
Michael: Genau. Sagen wir mal so: Ich habe Gestaltungsraum insofern, durch diesen Begriff „kongruent“ zieht sich da eine Wolke auf, wo ich die Marke hin positionieren kann, wird halt durch die Werte und purpose ein bisschen umrissen, wo das sein kann. Die genaue Position kann ich mir dabei immer noch aussuchen, da kommt nur halt dieser zweite Schritt: Ich muss gucken „wer ist von meiner Konkurrenz schon da“, weil idealerweise kann ich es schaffen, mich zu differenzieren durch meine Markenposition und gehe nicht an die Stelle, wo alle anderen sowieso sind. In manchen Fällen kann das die richtige Strategie sein, mich da hin zu positionieren, wo die anderen sind, dann ist das, was da passiert ein Verdrängungswettbewerb, wo ich dann ganz klar mit anderen Argumenten auftreten muss außer Marke um da beim Kunden zu gewinnen, oft über den Preis. Oder über die Produktqualität, wenn da ein großer Hebel ist, da schaffe ich es aber nicht mehr, mich über die Marke zu differenzieren. Im Telekommunikationsbereich ist das viel passiert, dass die Marken mittlerweile sehr ähnlich aussehen. Am Ende haben sie sich dann doch wieder etwas differenziert, aber als da die große „Mergers and Acquisitions“-Phase lief vor zehn Jahren, da waren viele Telkos rot, magenta, weiß, moderne Schriftart und so weiter und die werden dann auch geschluckt von Mitbewerbern, die auch so aussahen. Das ist auch eine Taktik, dass ich die Braut da schön hübsch mache in der Farbe und der Kleidung, die nachher dann vielleicht der Bräutigam gerne heiraten möchte.
Christian: Wenn die Produkte auch sehr vergleichbar sind, ich kriege halt Internetzugang und ein Telefon, Bandbreite. Was ist denn noch wichtig, wenn ich an Marke und Kultur denke?
Michael: Ich denke gerade an ein Beispiel, da habe ich mal jemanden begleitet, dem ist das erfolgreich gelungen, der hatte selber einen Persönlichkeitstypen, den würde ich eher als kreativ bezeichnen, gelbe Energie im insights-Modell gesprochen, sehr extrovertierter Mensch, der auch so ergebnis- und menschenorientiert war, so eine Mischung, orange wäre glaube ich die Farbe bei dem gewesen und der hat es geschafft eine Firma aufzubauen, die sehr analytisch war. Eigentlich eine introvertierte Funktion, wo es auf Genauigkeit und Logik und Auswertungen ankam, das war dem irgendwann bewusst. Die Marke, die wir da aufgebaut haben, die war tatsächlich auf eine jugendhafte Art und Weise analytisch und seriös, das war dann so der Spagat quasi und es gab auch immer wieder mal Stellen, wo strategische Sachen besprochen wurden, die waren sehr kreativ und wo dann dieser CEO auch gemerkt hat „ist eine schöne Idee, würde mir jetzt Spaß machen, aber für unsere Marke ist es vielleicht nicht das Richtige“. Der hatte irgendwann das Bewusstsein, dass sein Persönlichkeitstyp anders war als der Persönlichkeitstyp der Marke, die er gebaut hat und als er dann darüber stand und das so sehen konnte, konnte er das sehr erfolgreich machen. Um deine Frage zu beantworten, was da wichtig ist, ist zu verstehen „wie bin ich selber, welche Präferenzen habe ich als CEO in dem Fall und wie ist die Marke, die ich aufbauen möchte und dass ich das auseinanderhalte was Marke ist und was ich selbst und da nicht anfange, mich zu verwechseln“.
Christian: Und trotzdem die Beziehung zwischen beiden kongruent zu halten.
Michael: Genau.
Christian: Klasse, vielen Dank Michael.