CHIEF OF ANYTHING

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WOFÜR ENTSPANNT PRODUKTIVE-FÜHRUNG DIE WELT VERBESSERT

Transkript

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Christian: Hallo Eike.

Eike: Hallo Christian, hallo Michael.

Michael: Eike, grüß dich.

Christian: Hallo Michael. Ich habe ja jetzt schon richtig Kaffeedurst gekriegt. Wir haben gerade über Kaffee gesprochen. Eike, sag mal, außer Kaffee trinken, wer bist du und was machst du?

Eike: Was mache ich außer Kaffee trinken? Eine ganze Menge. Erstmal vielen Dank. Das Gespräch eben war auch schon mal ein gutes Intro. Ich bin 40 Jahre jung, verheiratet, seit ein paar Monaten stolzer Papa, man hört den Kleinen vielleicht im Hintergrund, eben hat er gerade losgelegt. Ich bin Ironman im Ruhestand, hab während des Abis mein erstes Unternehmen gegründet, ein Spin-Off einer Technoparade, 1999 war das. Parallel ein bisschen studiert, Linguistik und Informatik. Ist eine ganz andere Geschichte, warum man Linguistik studiert und ich bin jetzt an mehreren IT-Unternehmen beteiligt, ich glaube das nennt man Multiunternehmer. Funktioniert super, weil das ein super Team ist mit sehr vielen engagierten Talenten und da bin ich sehr dankbar für. Was möchtet ihr noch über mich erfahren?

Christian: Eine ganze Menge, wir haben noch ganz viele Fragen. Multiunternehmer. Da sind wir schon beim Thema remote Leadership oder sitzen die alle in einem Office deine Unternehmen?

Eike: Nein, das ist ein bisschen „Vereinigte Hüttenwerke“. Wir sind stark gewachsen in den letzten Jahren und dann haben wir mal hier ein Büro dazu genommen und dann das nächste. Es ist weit verstreut. Das sind zwei große Unternehmen, das ist einmal ein HO-System, das ist ein klassischen IT-Systemhaus für IT-Infrastruktur, Drucktechnik, Telekommunikation und HD-Net, das ist auch das Unternehmen, was ich damals aus dieser Technoparade heraus gegründet habe. Das entwickelt jetzt Software und ist dabei spezialisiert auf b2b-Prozesse, auf Digitalisierung von b2b-Prozessen und während Corona haben wir noch ein Start-Up gegründet, „Betriebsmittelhelden“, das ist ein digitales Einkaufsportal für die Landwirtschaft. In Summe sind das jetzt 110, 120 Mitarbeiter, hatten im letzten Jahr 30 Prozent Wachstum und es sind jetzt praktisch alle im Homeoffice und unsere „Vereinigten Hüttenwerke“ sind leergefegt de facto.

Christian: Vielen Dank. Sag mal, es geht ja bei uns um remote Leadership. Alle sitzen daheim und es sind auch noch unterschiedliche Unternehmen. Wie kriegst du die geführt?

Eike: Alleine geht das natürlich nicht. Ich habe einen tollen Partner, den Peter, an meiner Seite. Der ist auch an den großen Unternehmen gleichzeitig beteiligt. So haben wir das super im Team aufgeteilt, dann funktioniert das schon mal und auch selbst wir kriegen das nicht auf die Reihe, wir brauchen da halt jeweils eine gute Führungsmannschaft, Männlein und Weiblein, und damit funktioniert das gut. Dass ich das alleine micromanagen könnte, wäre natürlich vermessen. Das würde weder physisch funktionierten noch remote. Was ist eigentlich das Gegenteil von remote, wie nennt man das?

Michael: Das fragen wir uns auch die ganze Zeit.

Christian: Habe ich vergessen… Normale Führung…

Michael: Schön, dass wir beisammen sind heute. Eike, schön, dich mal wieder zu sehen und zu hören hier. Ich hatte ja schon mal vor einiger Zeit die große Ehre und das Vergnügen dich und euch in der Firma in Werther zu besuchen, in Bielefeld, und erinnere mich in etwa daran, wie es da aussieht und schönes Büro und sehr coole Atmosphäre und eingespieltes Team und glückliche Gesichter. Wie hat sich denn das im letzten Jahr gewandelt und was davon klappt gut und hat vielleicht sogar Vorteile gebracht und was davon klappt vielleicht noch nicht so gut? Was kannst du an Erfahrungen teilen?

Eike: Das Büro ist fast leer. Da sind diejenigen, die besonders gerne im Büro sind oder nicht zu Hause sein möchten oder können. Ein Büro habe ich vor Augen, da waren letztes Jahr noch irgendwie 40 Leute und da sitzen halt, wenn es hochkommt, mal vier oder fünf. Da ist viel Platz. Es ist grundsätzlich geöffnet, wir können die Coronaregeln erfüllen, aber es wird offensichtlich nicht so intensiv angenommen. Wenn wir jetzt die Option freistellen „komm ins Büro oder bleibe zu Hause“, dann entscheidet sich die Mehrheit dafür, zu Hause zu bleiben. Die glücklichen Gesichter, die du da gesehen hast, die hoffe ich auch, dass ich die im Homeoffice sehe. Wir versuchen natürlich auch möglichst viele gemeinsame Events oder Meetings, Ereignisse zu machen, dann ist schon Maßgabe, dass wir alle die Kamera anhaben und dann freue ich mich auch, wenn ich da viele lächelnde Gesichter sehe.

Michael: Jetzt habe ich dich als Chef kennengelernt, als jemand, der es sehr schätzt mit anderen Menschen zusammenzuarbeiten und Freude daran hat, im Team zu arbeiten und sehr kollaborativ ist. Wie gehst du damit für dich persönlich um, dass du jetzt auf einmal auf Entfernung bist so wie jetzt, irgendwie an einem Bildschirm, mit Telefon oder Headset? Wie ist das für dich?

Eike: In Summe ist das positiv für mich. Ich finde es sogar besser. Wenn man gemeinsam einen Workshop macht und sich dann seine Post-Its nimmt und seine roten Punkte verteilt, ihr kennt das, das ist halt ungeschlagen. Das ist super. Ich kann abends noch ein Bierchen oder eine Limo mit den KollegInnen trinken und nochmal so „worauf es wirklich ankommt“ mit denen besprechen und das ist etwas, was in so einer remote Sitzung nicht mehr stattfindet. Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass mir das nicht fehlen würde. Das ist das, was die gemeinschaftliche Arbeit auch ausmacht, dass man quasi das gemeinsam macht und da ist halt quasi diese Zusammenarbeit, so gut wie sie auch remote funktioniert, mit allen digitalen Tools, die wir zur Verfügung haben, fehlt das genau. Trotz alledem kann ich sagen, dass es auch positive Seiten hat. Wenn wir früher einen Termin vereinbart haben, Michael, was das für ein Akt war. Du musstest aus dem Kreis Heinsberg, das verbindet uns ja, Kreis Heinsberg und Kreis Gütersloh, wir sind ja die berühmtesten Kreise in der Republik geworden, wenn du halt aus deinem Kreis Heinsberg mal nach Gütersloh kommen musstest, was das für ein Akt gewesen ist. Jetzt können wir uns halt gerade mal so in fünf Minuten zusammenschalten und das funktioniert auch. Die A2 sieht mich nicht mehr so häufig und das ist für mich ein großer Vorteil. Ganz viel Zeit habe ich auch gewonnen und kann dadurch viel mehr Menschen auch nicht mehr so intensiv, aber ich kann viel mehr Menschen kennenlernen und auch mehr Zeit mit den Menschen verbringen. Das ist glaube ich ein großer Vorteil.

Michael: Ja. Was bei dir die A2 ist, ist bei mir die Deutsche Bahn und die sieht mich mittlerweile gar nicht mehr. Ich weiß nicht, wann ich zuletzt in einem IC oder ICE war und was ich bei mir gemerkt habe, ich kann z. B. morgens einen Workshop vier Stunden machen und dann mache ich eine Stunde Pause, mit einer Firma morgens und mit einer anderen Firma treffe ich mich nachmittags mit einem anderen Team und da stehe ich nicht zwischendurch im Zug oder im Hotel und bin unterwegs. Da kann ich mitfühlen, was du gerade beschreibst. Die Effizienz fühlt sich viel höher an. Jetzt hast du das eben beschrieben mit dem Sozialen zwischendurch und dem Feiern und dem Beisammensein und du hast gesagt „die wichtigsten Sachen abends bei einem Getränk besprechen“. Habt ihr da schon irgendwie Alternativen ausprobiert, wie sich das remote überbrücken lässt? Kannst du da noch was zu teilen?

Eike: Die Weihnachtsfeier, die remote Weihnachtsfeier, die alle irgendwie gemacht haben. Machen wir uns nichts vor, das ist scheiße. Unsere Weihnachtsfeier ist eine Zeremonie, da wird man wirklich eingeführt und eingeweiht, das ist ein besonderes Erlebnis, ich will jetzt hier keine Details verraten, das fehlt natürlich. Für mich fühlt sich das ein bisschen an wie Fernsehgucken durch das Radio. Das ist halt etwas anderes. Wenn ich das Gleiche versuche, was ich vorher gemacht habe, meine normale Weihnachtsfeier ins remote überführe, kann das meines Erachtens nur scheitern. Da wird es sicher auch Alternativen geben, die haben wir nur noch nicht gefunden. Oder es ist ein Relikt der alten Zeit. Jeder, der sagt „ich fand die remote Weihnachtsfeier super“, ist nicht meine Vorstellung.

Michael: Ich habe tatsächlich eine erlebt letztes Jahr, die remote war und da war ich schon ziemlich beeindruckt, wo dann auch genauso wie auf einer physischen Party nachts um 03.00 Uhr in verschiedenen Zoom-Breakout-Rooms die Leute mit ziemlich einem im Tee ziemlichen Kram geschwafelt haben, wo dann auch nachts um 02.00 Uhr Leute in einem anderen Breakout-Room mit einem DJ waren und wirklich im eigenen Wohnzimmer getanzt haben. So einen ersten Eindruck habe ich da bekommen, wie weit das doch geht. Ich wäre lieber physisch da in einem Raum. Eine Sache, die schon besser funktioniert und uns allen leichter fällt, du hast die ganzen Tools beschrieben, die ihr benutzt. Ihr seid ja eine Tech-Company. Erzähl mal, was ist das, wo ihr drauf setzt und was geil funktioniert und was sind so die Kollaborations- und Produktivitätstools, die ihr da remote benutzt und die es jetzt besonders bringen?

Eike: Wir waren vorab schon immer remote first. Wir hatten vor Jahren schon einen Mitarbeiter, der war nur im Homeoffice und das war unser Benchmark „kann der mitarbeiten und funktioniert das?“. Dann haben wir so Sachen gemacht wie Laptops gekauft, keine Workstations mehr, die Telefonanlage kann ich halt auch im Homeoffice nutzen. Das haben wir über die Jahre alles eingeschleift. Das war alles nutzbar, es wurde aber sehr wenig genutzt. Das hat dann dazu geführt, dass wir praktisch von heute auf morgen schon vor dem Lockdown, ich glaube er wurde sonntags verkündet, auf jeden Fall hatten wir den Freitag davor den letzten Tag im Büro. Da haben wir gesagt „holt Freitag noch eure Klamotten und dann ist Ende Gelände“ und wir haben am Montag weiterarbeiten können.

Michael: Der Politik zwei Tage voraus.

Eike: Genau. Das Toolset ist jetzt nichts Besonderes. Machst du Teams, machst du Hangout, machst du Zoom? Das sind die großen religiösen Fragestellungen der heutigen Zeit. Wir sind auf diesem Microsoft-Step unterwegs, Office365 und was es sonst noch so gibt. Wir waren da von vorneherein. Alles ist online bei uns. Wir hatten am Ende das Problem, dass wir noch einen Prozess nicht berücksichtigt hatten, das ist nämlich, dass der Briefkasten ausgeleert werden muss. Das haben wir nicht beachtet und dann musste ab und zu mal einer ins Büro fahren, um diesen Briefkasten auszuleeren. Aber ansonsten hat alles wunderbar weiter funktioniert.

Michael: „Hol mal einer die Post rein“.

Christian: Die ganzen Bring-Service- und Werbungsflyer… Ich würde gerne auf das Thema Effizienz zurückkommen. Michael, du hast ja gerade gesagt „morgens einen Workshop vier Stunden, nachmittags einen Workshop“ und Eike, du hast ja auch gesagt, du schaffst es einfach mit viel mehr Menschen in Kontakt zu bleiben. Jetzt bin ich ja so ein großer Fan von Ruhephasen zwischendurch und ich weiß halt auch, dass im Zug sitzen oder im Auto sitzen mir einfach Zeit zum Nachdenken gibt. Ich merke auch tatsächlich, dass ich so Tage habe, die ich mir, weil ich es kann, vollknalle mit Terminen, also jede Stunde irgendwas. Wie siehst du das und insbesondere auch wie siehst du das als ehemaliger Ironman?

Eike: Also der ehemalige Ironman kann ein ziemlich hohes Trainingsvolumen ab, der erwartet auch Leiden und der will auch viel Geben. Was das über meine Psyche aussagt, können wir mal bei einer Flasche Wein besprechen. Ich kann das sehr gut. Ich kann halt Stunden lang hier sitzen. Das ist für mich nicht anstrengend. Ich kann auch Stunden auf einem Fahrrad sitzen, das ist nach einer Besprechung ein Leichtes. Mein Terminkalender ist auch ohne Ende voll, da habe ich kaum freie Slots. Weil aber auch alles geplant ist, kann ich das ja auch proaktiv nutzen. Ich habe Termine für mich eingetragen, wo ich einfach Zeit für mich reserviert habe, wo ich mal sage „auch als Geschäftsführer will ich mal etwas für mich machen“. Mal an einer Sache konsequent arbeiten und dann stelle ich mir das als Kalendereintrag rein und weil ich gemerkt habe, dass meine Kollegen und Partner da ein bisschen cleverer sind, die sind schneller als ich und die legen vorher Termine in meinen Kalender und wenn der frei ist, sage ich auch „annehmen“, habe ich mir für sowas jetzt eben Serientermine angelegt. Der Vormittag ist bei mir komplett durch meine eigenen Serientermine geblockt und den Nachmittag habe ich dann „frei“, für das was wir hier z. B. gerade machen. Das sorgt dafür, dass der Nachmittag dann auch voll ist. Dann habe ich aber zumindest den Vormittag als Standard für mich und es gibt eine ganze Menge Ausnahmen dafür. Das ist zumindest mein Ansinnen, dass ich mir die Zeit morgens erstmal für meine Arbeit nehme.

Michael: Da bin ich dabei. Ich versuche das gerade bei mir, da ist seit ein paar Wochen Freitag bei mir der „Frei-Tag“ und halte mir den komplett frei. Nicht, dass ich dann nicht arbeite, nur ich habe das auch gemerkt. Ich muss mir irgendwie Zeitblöcke einbauen, wo ich zu Kram komme, weil durch den ganzen remote Modus dauernd irgendwas ist. Das merke ich allerdings auch, das ganze Thema Kommunikation, ich bin mittlerweile auf Slack, auf WhatsApp, auf Workspace. Wie geht ihr denn damit um? Synchronisation im Team, was früher die Arbeitszeiten waren, ob jetzt 9-17 oder 8-17 Uhr, wie geht ihr damit jetzt um, dass da das Zeitgefühl auch flexibler wird vielleicht?

Eike: Erstmal, was die ganze Kommunikation angeht, Michael, ich habe ein distraction free iPhone. Ich habe noch nicht hingekriegt, WhatsApp runter zu schmeißen, aber meine E-Mails… „hallo, ich bin Eike, ich bin E-Mail-abhängig, ich bin süchtig“, ich habe meine E-Mails jetzt Weihnachten von meinem Handy runtergeschmissen, weil ich gerne Zeit mit meiner Familie verbringen wollte und habe die auch nicht mehr draufgemacht und es funktioniert. Ansonsten versuche ich alles von dem Gerät wegzukriegen. Corona war ja am Anfang echt eine stressige Zeit, da haben wir ja alle gedacht „die Welt geht unter“ und dann will ich schnell reagieren, bin in so einem Panikmodus und dann will ich auch schnell kommunizieren und ich hatte hier eine Telefonliste hängen mit den Festnetztelefonnummern von meinen Leuten, falls das Handynetz ausfällt. Wir waren krisenmäßig gut vorbereitet. Was ich sagen will, man will dann ja auch schnell kommunizieren und was wir gelernt haben, das ist der totale overkill. Das ist super stressig, super anstrengend und ich habe ganz lange dafür gekämpft, dass wir jetzt ein daily und ein weekly haben. Das haben wir jetzt tatsächlich und ich kann für mich sagen, dass es für mich besser ist. Ich habe ein 1-on-1 und ein weekly und ein daily, was will ich zwischendurch sonst noch mit denen besprechen? Dann habe ich die Sachen eigentlich geklärt. Christian, kannst du mit Michael nochmal drüber sprechen? Und Michael, kannst du nochmal mit Eike…dieses ganze Kommunikationstennis ist halt weg, wenn wir einmal im daily oder weekly die Sachen aufs Trapez bringen und einmal geklärt haben. Dann ist diese asynchrone Kommunikation nicht mehr so wichtig. So erlebe ich das.

Michael: Inwieweit braucht ihr in Zukunft noch ein Büro?

Eike: Das ist eine schwierige Sache, das darf ich offiziell gar nicht sagen. Wir verdoppeln gerade unsere Bürokapazitäten. Das war eine Baustelle, die haben wir letztes Jahr gestoppt, weil wir auch nicht wussten „wollen wir noch Geld ausgeben oder nicht?“, die läuft aber jetzt, halt ein bisschen langsamer, aber es läuft. Es gibt ja Menschen, die glauben, dass wir alle wieder zurück ins Büro kehren. Ich persönlich glaube da nicht dran. Das was war, wird nicht mehr wieder kommen, glaube ich nicht. Ich glaube aber auch nicht, dass so, wie wir jetzt aktuell arbeiten, dass das weiterhin genauso intensiv, volle Pulle Homeoffice laufen wird. Ich freue mich drauf, dass wir bald so einen Hybrid-Modus haben, dass ich vielleicht zwei Tage im Büro bin, die Leute treffe, die großen Meetings live in Person zu machen und dann aber, um wieder zurück zu meinem Arbeitsmodus zu gelangen, wo ich meine Aufgaben machen, dass ich das dann vielleicht auch eher wieder im Homeoffice mache. Ich glaube, dass der Homeoffice-Anteil höher werden wird und bleiben wird. Der wird jetzt ein bisschen geringer, aber dass wir auf den Stand 2019 zurückkommen, glaube ich nicht dran.

Michael: Was heißt das für eure Kultur? Ich kenne euch ja ein bisschen als Unternehmen, ihr seid 20 Jahre sehr erfolgreich dran, habt da so einen gewissen Stil etabliert in eurer Kultur, was heißt das dafür? Kann das so bleiben, wie das ist, muss sich das evolvieren, wo führt das hin?

Eike: Man muss es deutlicher machen. Das, was implizit ist, muss man explizit machen.

Michael: Beispiel?

Eike: Was ist unsere Kultur überhaupt? Die lerne ich ja irgendwie wenn ich im Unternehmen ankomme. Dann merke ich „duzen oder siezen die sich, wie kleiden die sich“, ganz viel passiert ja auch zwischen den Zeilen und über Kommunikation muss ich mit euch beiden ja auch nicht sprechen, da seid ihr ja Yedi-Meister drin.

Michael: Da sprechen wir immer gerne drüber.

Eike: Da lerne ich ultra viel über die Kultur des Unternehmens. Jetzt komme ich aber neu in den Laden rein, das haben wir ja auch erlebt, wir haben super viele Onboardings gehabt letztes Jahr und da sind solche Fragestellungen total interessant, also „wie funktionieren die eigentlich, wie ticken die eigentlich, was ist auch ein gewünschtes Verhalten oder wie verhältst du dich bei uns normal?“, hört sich jetzt so doof an, aber ihr wisst, was ich meine. Das kriege ich nur hin, wenn ich es explizit mache. Wenn ich das explizit mache, stelle ich fest „wir waren uns da gar nicht einer Meinung“. Das ist ein super langer Prozess. Das ganze purpose, vision, values Thema. Wenn ich jetzt ein Start-Up gründe, kann ich sagen „purpose, vision, values, lets go, alle wissen Bescheid“ und dann geht es los, aber so wie das bei uns halt war… roll mal halt eine 20 Jahre alte Geschichte auf. Da sind so viele Dinge implizit, ungeschriebene Gesetze, das herauszufinden, zu identifizieren, zu verschriftlichen, sich darüber auch einer Meinung zu sein, das ist echt eine große Challenge gewesen. Das ist auch nie fertig. Diese Kulturfrage muss ich in remote Zeiten explizit machen, muss ich verschriftlichen.

Michael: Verstehe. Was ist mit so großen people-Prozessen? Also Leute einstellen, Performance Management und evtl. sich auch von Leuten verabschieden. Habt ihr damit Erfahrungen gemacht im letzten remote Jahr?

Eike: Ja, auf jeden Fall. Das Schöne ist, dass manche Bewerbungsgespräche viel schneller vorbei sind, habe ich so aus dem Team mitbekommen. Du weißt halt, der Kandidat / die Kandidatin ist zwei Stunden angereist, dann kann man die ja nicht nach einer viertel Stunde wieder nach Hause schicken, das kann man remote machen. Ich kann ja auf einen viel größeren Talentpool zurückgreifen. Obwohl ich das noch nicht so richtig festgestellt habe. Die Tendenz ist immer noch so, dass sich bei uns Leute eher aus der Region bewerben. Obwohl wir sagen „komm, woher du willst“.

Michael: Das kann ich bei euch machen? Egal wo ich lebe, kann ich sagen „ich fange jetzt bei HD-net an in Werther bei Bielefeld“ und dann seid ihr dafür offen „okay, du arbeitest von irgendwo auf dem Planeten hier bei uns mit“?

Eike: Ja. Es wird aber wenig gemacht. Ich glaube, weil die Leute eher so im Kopf haben „ich muss bestimmt immer mal wieder dahin“. Das wird ja alles bald vorbei sein, hatten wir ja eben das Thema. Der Recruiting Prozess ist auch expliziter geworden. An manchen Stellen ein bisschen schwieriger. Wir haben z. B. so einen Teamtag, wo ich als Rekrut ins Team komme und mal so ein bisschen merke „was ist da los?“. Als Programmierer mache ich halt ein paar Aufgaben mit einem Kollegen zusammen und der erklärt mir ein bisschen was dabei und dann kriegen alle so ein Gespür „passt der zu uns, tickt der so wie wir?“, diese Kulturfrage. Das remote herauszufinden, ist schwieriger geworden. Muss ich anders machen. Da brauche ich passende Interviewfragen. Ich muss mich damit expliziter auseinandersetzen.

Michael: Hast du da vielleicht ganz konkrete Erfahrungen vielleicht, was da funktioniert? Dieses Andersmachen im Auswählen der Leute, damit die passen.

Eike: Da müsstest du jetzt meine Kollegin fragen, die das Recruting macht. Ich selber habe da nicht so viel Erfahrung. Was ich teilen kann, was du eben noch meintest, die Beurteilung der Arbeit an sich. Ich komme morgens ins Büro, mache meine acht Stunden und fahre dann wieder nach Hause, dann habe ich meinen Job getan. Das ist ja so pre-Corona. Jetzt will ich ja für mich auch die Frage beantworten können „wann hatte ich eigentlich einen guten Tag?“. Das haben wir letztes Jahr angestoßen. Wir hatten die Situation „wir brauchen irgendein Frühwarnsystem“, ob wir so etwas wie Kurzarbeit anmelden müssen oder nicht. Wir mussten das Gott sei Dank nicht, wir sind super wirtschaftlich durchgekommen, alles total gut, aber wir brauchen irgendwie ein Frühwarnsystem. Objektiv messbare Zahlen, damit jeder auch weiß „wie performen wir gerade? Läuft alles noch, oder haben wir ein Problem?“. Dann muss ich mich auch fragen „was ist denn der Sinn meines Jobs eigentlich? Was ist wichtig an meiner Stelle? Wofür werde ich eigentlich bezahlt? Woran kann man etwas messen und wann ist es gut? Wann ist es in Ordnung, „normal“?“. Bei uns ist das der Chuck-Norris-Score. Wenn Chuck Norris einen Kaffee machen würde, Christian, wie würde der schmecken sozusagen? Das nochmal mit dem Team besprechen, ich will nicht sagen anstrengend…doch es ist ein anstrengender Prozess. Dieses Implizite explizit zu machen, man fühlt sich als Mitarbeiter kontrolliert. Dabei habe ich andererseits auch eine Möglichkeit zu sagen „guck mal hier, ich mache meinen Job gut“ und ich weiß es auch von mir selber. Du hast es eben mit dem Sport angesprochen. Die Wattzahl ist die Wattzahl. 250 Watt sind 250 Watt. Wenn ich nur 150 Watt trete, ist das weniger und schlechter als jemand, der 250 Watt macht.

Michael: Okay, d. h. ich brauche eine Art „Wattometer“, Leistungsmessgröße, dass ich dann als Mitarbeiter quasi aus meinem Homeoffice heraustrete, zu meiner Frau rübergehe in die Küche und die fragt mich dann „Schatz, hattest du einen guten Tag?“ und dann sage ich „ja, weil ich hatte heute 70 X“.

Eike: 70 Watt. Du bist doch Physiker, Christian, das musst du in kJ messen.

Christian: Die Frage wäre eigentlich: Wie viel Watt macht Chuck Norris?

Eike: 8000. Alle. Das ist auch so ein Punkt, wenn ich mich jetzt aufs Rad setze und trete dann halt auf der Ironman-Distanz 250 Watt treten, ich will das halt in fünf Stunden schaffen, dann reicht die Wattzahl vielleicht nicht, dann muss ich vielleicht an meiner Aerodynamik noch arbeiten. Wenn ich das mal explizit mache und mal klar messe und mir die Gesamtzusammenhänge angucke, dann stelle ich ja vielleicht auch fest „wo habe ich noch Potenziale?“. Mein Herz hat eine gewisse Größe, das wird nicht größer, die Lunge auch, Wattzahl geht nicht mehr, habe ich austrainiert, jetzt muss ich mir einen anderen Helm kaufen, um daran zu arbeiten. Das sind ja dann so Optimierungsschritte. Man kann sich ja dann auch gegenseitig helfen. Ich glaube da müssen wir quasi auch in der Kommunikation alle besser werden, dass wir sagen „wir machen das nicht, um jemanden zu kontrollieren, um vorzuführen, wie schlecht du bist“, sondern ganz im Gegenteil zu erklären „was können wir noch besser machen? Was klappt schon gut und wie können wir voneinander lernen?“. Und dann einfach gute Leistung auch entsprechend belohnen. Es ist schwierig. Die nackte Wahrheit rauszuhauen, ist unangenehm. Ich kann es nicht genau erklären, ist aber bestimmt eine Kulturfrage.

Michael: Dann hätte ich im Anschluss noch eine letzte Frage von mir und das ist, wie sieht denn die optimale Zukunft aus? Wenn wir jetzt mal so drei bis fünf Jahre vorspulen und ich glaube wir haben alle ein Gefühl, dass Corona irgendwie zurückgehen wird, ob ganz weg oder weniger mal dahingestellt und jetzt haben wir uns all die guten Erfahrungen bewahrt aus dem letzten Jahr, was wir alle neu gelernt haben und auch die alten wieder zurückgewonnen. Wie sieht denn die perfekte Symbiose, das Optimum der Arbeit in fünf Jahren aus? Wie klingt das, wie fühlt sich das an, wo wir da drauf zu steuern?

Eike: Welche Dimension möchtest du denn da jetzt genau betrachtet wissen?

Michael: Führung des Unternehmens, Arbeiten, gemeinsam etwas erreichen.

Eike: Ich glaube, dass es maßgeblich das Vertrauen verändern wird. Mehr Vertrauen. Ich bemitleide jetzt die Führungskräfte, die „Management by Anwesenheit“ betreiben, so die niederste Form, Ergebnisse zu managen, zu gucken „wie gut vertraue ich meinen Leuten?“. Wenn mir ausreicht, dass sie den ganzen Tag im Büro sind, dann vertraue ich denen halt nicht, dann war ich auch nicht in der Lage ihnen zu erklären, was ich eigentlich von ihnen erwarte oder was sie selber von sich erwarten sollten. Wenn ich jetzt mal gesehen habe „es geht auch im Homeoffice weiter“, das war ja vor Corona undenkbar, auf einmal geht es plötzlich – mal mehr, mal weniger- das glaube ich, dass da mehr Vertrauen zwangsläufig entstanden ist. Dieses Learning „es geht auch ohne mein Anwesenheits-Tracking“, das ist so der größte benefit, den wir dadurch haben. Und dass wir gelernt haben, wie Videokonferenzen funktioniert. Das klappt auch.

Michael: Ziemlich gut sogar. Vertrauen, nehme ich mit.

Christian: Vielen Dank Eike für die Einsichten. Zum Abschluss habe ich noch ein Geschenk für dich, nämlich ein Zauberstab. Und wenn du diesen Zauberstab schwingst, darfst du dir für die nähere Zukunft etwas wünschen. Was wäre das?

Eike: Für mich persönlich?

Christian: Für dich als Führungskraft, als Unternehmer, als remote Leader.

Eike: Das ist eine gute Frage. Ich wünsche mir, dass erstmal jeder für sich persönlich klar hat, „was will ich eigentlich, wer bin ich, was ist mir wichtig, wo sehe ich mich in fünf Jahren?“, so doof wie diese Personalerfragen klingen, aber da ist eine Menge dran. „Was will ich, was erwarte ich eigentlich vom Leben?“ und das hat ja auch eine berufliche Perspektive, eine berufliche Dimension und dann brauche ich halt auch ein Unternehmen, was damit synchron ist und dann muss das Unternehmen halt wissen „wo wollen wir eigentlich hin?“ und ich glaube, dass beides ist sowohl im Unternehmen als auch persönlich vielen nicht klar. Auch das ist implizit. Wenn ich diesen Zauberstab hätte, würde ich sagen, da ist jedes Unternehmer und jeder, der darin arbeitet, dem ist klar „bin ich hier richtig und kann ich hier mein volles Potenzial entfalten?“. Das wäre mega positiv. Das würde glaube ich für viel Veränderung sorgen.

Michael: Ganz lieben Dank Eike.

Christian: Vielen Dank Eike. Schönen Tag noch.

Eike: Danke euch, spannendes Gespräch.

Michael: Danke dir, tschüss.

Über diesen Podcast

CHIEF OF ANYTHING ist der Podcast und das Buch für mich. Zusammen mit anderen Menschen will ich entspannt UND produktiv sein, und ich bin dafür bereit mutig und mit Herz Führung zu übernehmen - im Business und im Leben.

CHIEF OF ANYTHING gibt es als Podcast, Buch und Seminar bei der CoA Academy - von und mit Christian Kohlhof und Michael Portz.

von und mit Michael Portz, Christian Kohlhof

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