WOFÜR ENTSPANNT PRODUKTIVE-FÜHRUNG DIE WELT VERBESSERT
Heute zum Thema „Situatives Führen“. Wenn ich nur einen Hammer habe, sieht alles aus wie ein Nagel und wenn ich nur einen Managementstil zur Verfügung habe, werde ich den auch immer anwenden. Egal, ob er zu meinen Problemen und meinen Mitarbeitern passt, oder nicht. Der Trick ist also meinen eigenen Führungsstil anzupassen. An die Situation, an den Mitarbeiter und an seine Fähigkeiten.
Christian: Hallo Michael.
Michael: Hey Christian, wie geht’s?
Christian: Ja super. Schön, dass du jetzt hier bei uns anfängst und dass du dich als Barista beworben hast. Ich zeige dir jetzt mal, wie wir hier Espresso machen.
Michael: Das ist eine gute Idee.
Christian: Jetzt nimmst du mal diesen Siebträger in die rechte Hand. Den kannst du jetzt nach links rüber drehen und dann fällt der so nach unten raus. Jetzt ist da noch so ein bisschen Kaffee drin, das kannst du ausklopfen. Kannst du noch so rauspinseln. Jetzt hältst du das ganze Ding unter die Mühle, die geht dann automatisch los, bis es voll ist. Jetzt tampen. Das ist der Tamper.
Michael: Ach dieses Ding, mit dem man da so oben drauf drückt?!
Christian: Ja genau. Ganz gerade drauf und mit ungefähr 20 kg runterdrücken, bis es ganz platt ist. Nochmal kurz ein bisschen schütteln, damit das restliche Kaffeemehl da reingeht, nochmal tampen, drehen und jetzt in den Siegträger einhängen. Jetzt gleich auf die Taste drücken, zwei Espresso. Jetzt noch eine Tasse drunter stellen.
Michael: Ja super, schön.
Christian: Ich hatte gedacht, du bist schon ein bisschen weiter und ich kann einfach Aufgaben delegieren. Jetzt muss ich tatsächlich mit micro-managen bei dir anfangen und dir jeden Handgriff zeigen. Schade. Da sind wir direkt drin im Thema „Führungsstile“.
Michael: Ich wusste ja gar nicht, dass ich mich als Barista bei dir beworben hatte. Ja gut, ich bin ja ultimativ verhaltensmäßig flexibel. Insofern „let’s go“.
Christian: Welcher Führungsstil ist der richtige? Das war ja jetzt micro-management. Jetzt habe ich dir ja wirklich dich in den Arm genommen und die Hand geführt, das war ja betreutes Arbeiten gerade.
Michael: Fand ich auch ganz gut, hätte ich sonst nicht hingekriegt. So eine Espresso-Maschine ist ja schon ein bisschen komplizierter.
Christian: Jetzt gibt es ja andere Sachen, da würde ich das nicht mit dir so machen wollen.
Michael: Könntest du vielleicht sagen „hier mach mal einen Kaffee“.
Christian: Ja oder „mach mal die Website“. Da würdest du ja glaube ich einen Föhn kriegen, wenn ich dir sage „klick mal mit der Maus da rechts hin“.
Michael: Ja stimmt.
Christian: Welcher Managementstil ist der richtige?
Michael: Gute Frage. Mein Learning ist, dass es von Person zu Person sehr verschieden ist. Da ist wieder das Thema „psychologische Typen“. Das andere große Learning ist, dass es von Situation zu Situation sehr verschieden ist. In welcher Situation ist die Person gerade, die ich da führe als Manager? Wie kann ich dann da als Manager am besten unterstützen, was braucht derjenige gerade?
Christian: Also wenn ich hier jetzt jemand neues an der Kaffeebar habe, dann muss ich wirklich sehr micro-managen, sehr im Detail erklären, was da passiert. Nachdem ich das vielleicht ein-, zwei-, drei-, manchmal zehnmal erzählt habe, dann kann ich schon zum nächsten Führungsstil gehen.
Michael: Und der ist dann?
Christian: Der ist dann das Teaching. Also jemandem beibringen und sagen „pass mal auf, jetzt machst du halt einfach zehn Espresso hintereinander. Ich stehe daneben und gucke, dass das läuft. Du schäumst die Milch, das bringe ich dir auch noch bei.“
Michael: Jetzt war der erste Stil Micro-Management. Das hat ja eher so ein bisschen einen negativen Touch. Nehmen wir das einfach mal so auch wertefreier, du bist also sehr involviert im Detail, „hands on“ quasi mit drin. Und der zweite Stil, sagst du jetzt gerade, ist „Teaching“, also jemandem etwas beibringen, lehren. Wo ist da der Unterschied?
Christian: Der Unterschied ist, dass ich da tatsächlich schon auf Kompetenz zurückgreifen kann. Der Mitarbeiter weiß schon, dass er das mit dem Espresso vielleicht noch nicht ganz so drauf hat, er wird vielleicht noch öfters Fragen stellen, ich stelle öfters Fragen, ich bin tatsächlich viel anwesend und gucke noch genauer hin und gebe auch gutes Feedback und sage „hey, das läuft richtig gut“ oder „den Cappuccino hast du jetzt toll gemacht“, um die positiven Learnings zu verstärken.
Michael: Das heißt in dem Micro-Management-Modus bist du mit deinen Händen buchstäblich noch in der Arbeit mit drin. Du packst den Siebträger an und sagst „hier drückst du diese Taste“ und so. Das heißt ihr arbeitet da quasi mit vier Händen gleichzeitig am Ergebnis, während im Teaching-Modus, stelle ich mir dann vor, da hast du vielleicht schon die Arme verschränkt und guckst zu.
Christian: Ich schaue die ganze Zeit zu.
Michael: Ein bisschen so wie ein Klavierlehrer, der daneben sitzt. Klavierspielen darf der Schüler selbst und der Lehrer sitzt daneben und kommentiert dann und gibt dann Tipps zur Verbesserung.
Christian: Der drückt dann keine Taste.
Michael: Außer wenn er etwas vorspielt, aber dann sind wir wieder im Micro-Management drin. Kann ich mir gut vorstellen. Und was ist der nächste Modus?
Christian: Dann geht’s weiter, dann hat der Mitarbeiter irgendwann das drauf und dann kann ich mich woanders hinsetzen und sagen „pass mal auf, mach mal, jetzt kommen gleich die Gäste. Wenn die sagen „Espresso“, dann machst du einen Espresso, wenn sie sagen „Cappuccino“, dann machst du einen Cappuccino, kassierst auch noch und wenn es Fragen gibt, ich sitze da drübenW.
Michael: Da stehst du dann gar nicht mehr daneben, bist schon noch anwesend irgendwo und involviert und derjenige kann den Job quasi selber machen.
Christian: Hat die gesamte Kompetenz, hat auch die Erfahrung schon gesammelt und es läuft. Und wenn ein Thema ist, dann bin ich da und wenn kein Thema ist, dann lasse ich den Mitarbeiter auch in Ruhe.
Michael: Das ist schon ganz gut. Dann haben wir bisher drei verschiedene Stile, die wir durchgegangen sind. Einmal diesen Micro-Managementstil, wo ich „hands on“ drin bin, also selber mitmache, dann den Teaching-Stil, in dem ich lehre und der Person etwas beibringe aktiv und dann den Coaching-Stil, da stehe ich als Coach zur Verfügung der Person zu helfen, sich weiterzuentwickeln und voran zu kommen und dann noch besser zu werden, aber nicht unbedingt in der Lehrerfunktion und schon gar nicht als Micro-Manager. Was gibt’s noch?
Christian: Irgendwann kann ich dann sagen „pass mal auf, schmeiß den Laden“ und ich bin gar nicht mehr da. Wir sprechen dann vielleicht einmal in der Woche zum Meeting oder 1-on-1.
Michael: Dann kriegst du die Ergebnisse und das war es?
Christian: Das wäre dann Delegation.
Michael: Das Modell, das wir gerade durchgegangen sind, ist das berühmte Modell von General Electric, da kommt es glaube ich her, „situational leadership“, situatives Führen von Ken Blanchard. Sehr hilfreich.
Christian: Das zeigt für mich halt viel, dass ich den richtigen Führungsstil nehmen darf, weil wenn ich den falschen nehme, ist es deprimierend. Sowohl für mich, als auch für den Mitarbeiter. Das heißt, wenn ich einen Mitarbeiter habe, der eigentlich die Kaffeebar schon alleine schmeißen kann und ich dann daneben stehe und sage „da musst du drücken“.
Michael: Dann haben wir Micro-Management wirklich so in dieser negativen…
Christian: ...dann ist es ein negatives Micro-Management und dann sagt der „pass auf, ich kann das, lass mich mal bitte“. Ich spüre dann auch die negativen vibrations von dem Mitarbeiter, der sagt „hey Chef, lass mich doch bitte meinen Job tun. Mach du deinen Job“.
Michael: Wie erkenne ich dann, welcher Stil dann der richtige ist? Wann schalte ich von irgendeinem belieben Stil, kann ja auch andersherum laufen, was ist wenn ich jetzt merke „der kann es noch gar nicht so gut und jetzt muss ich da wieder rein“. Was mache ich denn dann?
Christian: Die grundsätzliche Idee ist bei neuen Tätigkeiten, neuen Skills, auch an neuen Stellen eher mit dem Micro-Management in diesem positiven Sinne anzufangen und dann sehr schnell den Wechsel zu machen in Teaching und Coaching.
Michael: Wie so eine Gangschaltung dann, in den zweiten, dritten, vierten Gang schalten?!
Christian: Wenn ich einen erfahrenen Barista an die Kaffeebar stelle, dann kann ich dem auch sagen „mach mal einen Espresso“, dann sehe ich, wie der das macht und dann entscheiden, ob ich jetzt nochmal einhake, Micro-Management, oder ob ich sage „das hast du ja drauf“ und vielleicht ins Teaching oder ins Coaching gehe. Da schnell durch die Führungsstile von Micro-Management in Richtung Delegation gehen. Wenn ich im Micro-Management bleibe, ist es suboptimal. Genauso schlecht ist es, wenn ich gleich mit Delegation anfange. „Michael, du hast dich jetzt hier als Barista beworben. Ich habe keine Ahnung, ob du das schon drauf hast und bitte, hier ist die Bar, wir sprechen nächste Woche“.
Michael: „Ich wünsche dir einen schönen Tag, heute Abend komme ich die Kasse abholen“.
Christian: Genau. Die ist dann leer, die Kunden sind vergrault, der Mitarbeiter ist hochgradig demotiviert, weil ihm vielleicht irgendetwas gefehlt hat und das andere Erstaunliche an dem Modell ist, es hängt vom Mitarbeiter und von der Tätigkeit ab. Also es gibt einen Mitarbeiter, der vielleicht schon tolle Espresso machen kann, der aber nicht weiß, wie Milchschäumen geht. Dann darf ich beim Milchschäumen wieder von vorne anfangen, im Micro-Management, und dann schnell diesen Durchlauf machen.
Michael: Oder die abendliche Kassenabrechnung, was ja fachlich nochmal etwas ganz anderes ist.
Christian: Noch nie gemacht, dann muss ich dann hingehen und sagen „pass auf, da gehst du jetzt an den Laptop und da gibt es die Datei und da gibst du das ein“.
Michael: Wie spreche ich das am besten mit einem Mitarbeiter an? Der oder die merkt das ja dann, wenn ich dann mal so oder so bin. Wie gehst du damit um?
Christian: Ich habe das Gefühl, die merken das gar nicht so. Das ist schon mal positiv. Da ich mich ja anpasse an den Mitarbeiter, ich passe ja meinen Führungsstil an die Situation an, deswegen situatives Führen, dadurch kriegt der Mitarbeiter das in dem positiven Sinne gar nicht mit, weil ich meine Führungstätigkeit an den Mitarbeiter anpasse und es fühlt sich eigentlich eher gut an für den Mitarbeiter. Wenn er sagt „an der Ecke brauche ich mehr Hilfe, da kriege ich mehr Hilfe. An der Ecke kann ich frei laufen, dann kann ich da auch frei laufen.“
Michael: Okay. Cool.
Christian: Was sind denn die Fallen, in die man da tappen kann? Da gibt es tatsächlich einige. Eine schöne Falle, in die man tappen kann, ist mit Delegieren anfangen und dann zu sehen, es funktioniert nicht. Also zu sagen „pass auf, hier ist die Bar, mach mal“ und dann funktioniert es nicht und dann zu sagen „wir fangen nochmal bei Espresso an“.
Michael: Das ist so der Klassiker. Das heißt ich habe jemanden eingestellt und sage „hier ist dein Arbeitsplatz, dann fang mal an und wir treffen uns dann in einer Woche und dann zeigst du mir die Ergebnisse“. Der arme Kerl.
Christian: Dann geht’s nicht und dann sagen „okay hier, das ist die PowerPoint und da gehen wir jetzt mal im Detail rein“. Und dann wieder zurück ins Delegieren, vom Micro-Management ins Delegieren.
Michael: Da gibt es ein Wort für „valley of despair“, weil dann alle nur verzweifeln. Der Manager verzweifelt und der Gemanagte verzweifelt, weil da etwas fehlt. Quasi vom ersten in den vierten Gang schalten und dann schaltest du vom vierten in den ersten Gang wieder zurück und dann knirscht der Motor.
Christian: Was mache ich denn jetzt, wenn ich in den vierten Gang geschaltet habe und merke, dass es falsch war?
Michael: Im Auto würde ich dann wahrscheinlich in den dritten oder zweiten Gang schalten, anstatt direkt in den ersten.
Christian: Also gibt es wahrscheinlich auch da die Technik. Also von der Delegation dann ins Coaching, um zu sehen, ob das funktioniert, treffe ich da den Mitarbeiter in dieser Situation mit diesem Skill und wenn das nicht geht sehr schnell auf Teaching und dann eventuell auf Micro-Management zurück.
Michael: Das heißt also, bis ich dann mal weiß, wo ein Mitarbeiter steht, fange ich mit diesem Micro-Managementstil an, wenn ich dann merke „okay, das kapiert der“, dann schalte ich in den Teacher-Modus und wenn ich dann schnell merke „ah okay, da brauche ich auch nichts mehr beibringen, kennt er schon“, dann schalte ich in den Coaching-Modus und wenn ich dann schnell merke „Coaching braucht der auch nicht“, dann schalte ich dann in den Delegations-Modus und dann weiß ich, dass es läuft.
Christian: Genau. Das ist bei diesem Mitarbeiter mit dieser Tätigkeit. Das heißt wenn der Mitarbeiter eine neue Tätigkeit kriegt, kann ich den Weg wieder durchgehen.
Michael: Das heißt für mich als Chef, dass ich mich die ganze Zeit anpassen darf?!
Christian: Ich darf die ganze Zeit aufmerksam sein.
Michael: Genau und zwar einmal an das, was gerade in der Situation gefordert ist und dann nochmal an die Persönlichkeitstypen. Habe ich ja eine Menge mit Anpassung zu tun als Führungskraft.
Christian: Und die Kommunikations-Skills einfach stärken. „Communication is what the listener does“.
Michael: „The receiver is always right“. Und dreimal wiederholen und sechsmal.
Christian: Klasse, vielen Dank Michael. Jetzt machst du mir erstmal einen Kaffee oder?!
Michael: Du Christian, wie war das nochmal hier mit dem Siebträger?!
Christian: Ciao.
Michael: Ciao.