WOFÜR ENTSPANNT PRODUKTIVE-FÜHRUNG DIE WELT VERBESSERT
Feedback II
Christian: Michael, darf ich dir mal was sagen?
Michael: Ja, klar.
Christian: Es triggert mich immer total an, wenn du mir ständig irgendwelche Sprachnachrichten schickst. Dann kommt hier eine neue Idee und da wieder etwas anderes. Kannst du das bitte anders machen?
Michael: Darf ich ehrlich sein?
Christian: Klar.
Michael: Halt die Klappe.
Christian: Klappe halten? Das ist eine gute Idee. Du meinst, anstatt dir Feedback zu geben, darf ich auch einfach mal die Klappe halten?
Michael: Das ist eine Option.
Christian: Das ist eine gute Option. Wenn ich spüre, dass mich etwas antriggert, ist es vielleicht besser nichts zu sagen und erst mal mich selbst zu führen.
Michael: Das ist eine weise Erkenntnis, was du da sagst.
Christian: Einfach mal die Klappe halten. Auf englisch: „Shut up“.
Michael: Just shut up, man.
Christian: Das heißt, jemandem Feedback zu geben, wenn mich etwas triggert, ist keine gute Idee, oder?
Michael: Ja. Feedback ist oft ein großes Thema als Führungskraft. Ich frage mich, wann das bei mir mal gut geklappt hat. Wann habe ich mal richtig gutes Feedback bekommen, das mir wirklich etwas gebracht hat? Das kann ich vermutlich an zwei oder drei Fingern abzählen. Und wenn ich überlege, wie oft ich Feedback gegeben habe - und ich habe früher viel Feedback gegeben, formal und auch direkt - dann bin ich mir nicht sicher, ob ich damit wirklich immer Gutes bewirkt habe. Ich befürchte sogar eher das Gegenteil. Mein Feedback hatte vielleicht sogar manchmal einen negativen Effekt. Feedback ist eine zweischneidige Sache, die ich lange als sehr ambivalent empfunden habe.
Christian: Ich vermute, dass dieses Trigger-Feedback früher die Art von Feedback war, die ich am häufigsten gegeben habe. Wenn mich etwas getriggert hat, hatte ich viel Energie zu sagen, dass er oder sie damit aufhören soll. Das, was wirklich etwas bringt, ist das positive Feedback. Du sprichst dabei oft von dieser einen Zahl: 85 Prozent.
Michael: Genau, und von den sechs Situationen des Feedbacks.
Christian: Wollen wir die mal durchgehen?
Michael: Gerne. Feedback bedeutet, die Verhaltensweise eines anderen Menschen zu beobachten, um dieser Person dann mitzuteilen, was sie ändern könnte. Das kann in der Rolle als Führungskraft, oder auch in einer anderen Rolle sein. Manchmal denke ich auch, “ich würde dieser Person jetzt gerne sagen, dass das gerade nicht so toll war”. Dieser Gedanke kommt gerade hoch und ich möchte ihr mitteilen, was mir aufgefallen ist. An der Stelle geht die ganze Geschichte los. Wenn ich nun Führungskraft bin, darf ich mich erst einmal fragen, „zu welchem Zweck möchte ich der Person überhaupt etwas zu seinem Verhalten sagen?“ und „zu welchem Zweck darf ich etwas sagen und zu welchem Zweck vielleicht auch nicht?“.
Christian: Ich hätte da eine Idee für den Zweck: Ziele erreichen, Ergebnisse erzielen und Mitarbeiter halten.
Michael: Genau dieselben Dinge wie immer. Die Aufgabe des Managements ist es, Ergebnisse zu erzielen und Mitarbeiter zu halten. Ich würde gerne noch etwas ergänzen: Ziele im Einklang mit den Werten, dem Purpose der Firma und der Vision erreichen. Dann sind wir auch schon beim Thema Mitarbeiter halten und der Umsetzung von Strategien. Purpose, Vision, Values, Strategies. Ergebnisse erzielen und Mitarbeiterinnen halten. Das ist meine Brille als Führungskraft. Jetzt blicke ich schärfer auf das Verhalten der anderen Person, der ich gerade etwas sagen wollte und frage mich, ob sich ihr Verhalten positiv oder negativ auf unsere gemeinsamen Ziele auswirkt.
Christian: Gehen wir davon aus, dass ich grundsätzlich die richtigen Mitarbeiter eingestellt habe. Das heißt, dass die Wahrscheinlichkeit, dass auch das Team die richtigen Dinge macht, schon relativ hoch ist oder?
Michael: Wenn's gut läuft, ja. Oft mache ich mir zu einer bestimmten Verhaltensweise eines Mitarbeiters Gedanken und stelle dann fest, “Ja doch, das trägt schon zur Zielerreichung bei und diese Verhaltensweise schadet aktuell auch niemandem”. So akzeptiere ich das Verhalten dann. In diesem Fall, darf ich der Person dauernd und immer wieder positives Feedback geben und mich auch einfach mal bedanken – genau wie bei allen anderen auch. An der Stelle kommen die 85 Prozent ins Spiel. 85% positives Feedback. „Danke, dass du das gerade so und so gemacht hast. Das trägt zum Ergebnis bei.“ Dann fühle ich mich gut.
Christian: Im Sinne von, auf die Schulter klopfen. „Klasse, gut gemacht“?!
Michael: Vorsicht. Da gibt es noch einen feinen Unterschied. Das wird natürlich auch gemacht.
Christian: „Hast du gut gemacht, braver Hund.“
Michael: Ich bin so ein Typ, der ein komisches Gefühl bekommt, wenn mir jemand sagt, „das hast du gut gemacht“. Dann frage ich mich, „wer gibt dir denn das Recht darüber zu urteilen, dass ich etwas gut gemacht habe?“.
Christian: Du hast das Gefühl, dass sich derjenige dann über dich stellt?!
Michael: Ja, genau. Genauso wie, wenn jemand zu mir sagt, „das war jetzt aber nicht so toll“. Ich denke mir dann, „wer bist du denn?“. Ich habe gelernt, mich einfach mal zu bedanken, statt Lob auszusprechen oder auf die Schulter zu klopfen. Ich bedanke mich und verbinde das mit dem guten Gefühl, wenn ich beobachte, dass sich diese Verhaltensweise positiv auf die Zielerreichung auswirkt und wir unser Ziel ganz bestimmt erreichen werden. Das ist eine schöne Art und Weise und nennt sich positive Affirmation. Laut Harvard ist das etwas, was wir als Führungskräfte eigentlich die ganze Zeit machen sollten und in der Realität leider viel zu selten umsetzen. Demnach sollte ich für eine tatsächlich nötige Veränderung sechsmal so häufig positives Feedback aussprechen, wie ich Feedforward gebe.
Christian: Wir haben ja schon Mal über dieses Shit-Sandwich gesprochen. Ich sage dir jetzt ein oder zwei positive Dinge und darauf folgt dann das, was ich dir eigentlich sagen möchte: Nämlich das, was nicht so gut läuft. Und zum Schluss sage ich nochmal etwas Positives, damit du dich nicht so schlecht fühlst. Baue ich diese 85 Prozent positives Feedback immer in das Shit-Sandwich ein oder kann es auch mal ein Stand-Alone-Feedforward sein?
Michael: Es kann auch einfach ein Stand-Alone-Feedforward sein, quasi ein alleinstehendes Kompliment. Das ist positive Affirmation. „Vielen Dank für das, was du gerade gemacht hast, ich finde das klasse.“ Ich finde oder ich fühle sind zum Beispiel oft passende Formulierungen. Als Verteidigung für das gute, alte Shit-Sandwich, finde ich, dass das immer noch besser ist als nur den Shit anzusprechen.
Christian: Also schlecht transportiertes Feedback ist immer noch besser als gar kein Feedback?
Michael: Das weiß ich nicht. Das Positive mit den Verbesserungsvorschlägen zu verbinden, ist immer noch eine bessere Technik als nur Verbesserungsvorschläge zu erwähnen. Wenn ich nur herummeckere, erreiche ich meistens weniger, als wenn ich die positiven Dinge ausspreche und verstärke. So klappt es noch besser als mit dem Shit-Sandwich. Das ist positive Affirmation. Jeden Tag gebe ich jedem Mitarbeiter mindestens eine positive Affirmation mit. Das ist die erste von den sechs Feedback-Situationen. Diese wende ich zu 85 Prozent meiner Zeit an.
Christian: Vielen Dank, Michael. Jetzt verstehe ich die 85 Prozent. Was sind denn die übrigen 15 Prozent, um Feedback noch besser geben zu können?
Michael: Das sind die Fälle, bei denen ich beim Beobachten des Verhaltens von jemandem feststelle, dass dies nicht auf unsere Ziele, unseren Purpose und die Vision einzahlt oder nicht im Einklang mit den Werten passiert. Sie verhält sich vielleicht auf eine Art und Weise, die es schwer macht, Ergebnisse zu erzielen und Mitarbeiter zu halten. Hierbei gibt es zwei Fälle, die ich unterscheide. Der erste ist der einfachere. Hier beobachte ich, dass jemand noch nicht die notwendigen Skills oder Kompetenzen hat, um bestimmte Sachen zu machen. In diesem Fall gebe ich Feedforward im Sinne von, “Wie kann ich dich dabei unterstützen, dies oder jenes in Zukunft noch besser zu machen? Welche Möglichkeiten gibt es, um diese Kompetenz zu erlangen? Welche Trainings könnten helfen?” Vielleicht hilft ein Coach, ein Buddy oder ein Entwicklungsplan, um in Zukunft nur noch durch positive Affirmation dazuzulernen.
Christian: Das wäre dann Anleiten und Trainieren als Führungsstil?
Michael: Ja, genau. Weiterentwicklung. Personal Development. Als Führungskraft unterstütze ich dabei, dass meine Mitarbeiterinnen in größere Rollen hineinwachsen, auch mit Zeit und Geld. Vielleicht sogar mit meiner eigenen Zeit und meinem Wissen. Ich kann selbst mit einem Mitarbeiter in den Trainingsmodus gehen oder dafür sorgen, dass jemand anderes es der Person beibringt. Hierbei geht es also um Hard Skills, das ist die zweite Feedback-Situation, das geben von Feedforward mit dem Zweck, Hard Skills aufzubauen. Dann bleiben von den 15 Prozent noch ein paar Prozentpunkte über. Die dritte Feedback-Situation hat den Zweck Soft Skills zu entwickeln, also den EQ - emotionalen Quotienten. Auch der trägt wesentlich dazu bei, Ergebnisse zu erzielen. Diese Situation ist ähnlich zur vorherigen. Auch hier gebe ich Feedforward, um der Person zu helfen, entsprechende Kompetenzen aufzubauen - nur eben Soft Skills statt Hard Skills. Im Bereich des EQs gibt es zwei Themen, die immer wieder auftauchen. Eines ist das Thema Awareness, also Bewusstsein. Awareness darüber zu haben, wie ich bei anderen Menschen ankomme und wie meine Verhaltensweisen auf andere wirken: Self-awareness. Das zweite große Thema ist Verhaltensflexibilität. Verhaltensflexibilität bedeutet, mich auf andere einstellen zu können und auf meine eigene authentische Art und Weise auf andere zuzugehen, um es ihnen leichter zu machen.
Christian: Du hast doch mal eine Geschichte erzählt, in der jemand dir gesagt hat, dass du mit Lächeln mehr erreichst. Nach dem Meeting bist du in ein Flugzeug gestiegen, hast bewusst mehr gelächelt, deine Verhaltensflexibilität trainiert und dann eine Flasche Wein geschenkt bekommen. Wäre das so ein Feedforward für ein Soft Skill?
Michael: Ja, absolut. Cool, dass du dich daran erinnerst. Das Witzige war tatsächlich, dass derjenige das Gespräch eingeläutet hat mit, „Can I give you some feedback?“. Für mich war das ein grandioser Tag, ein sehr erfolgreicher und wichtiger Tag für meinen weiteren Werdegang. Er sagte erst, „Yes, du bist drin. Du hast es geschafft, wir nehmen dich mit auf diese Reise“. Dann kam, „Darf ich dir Feedback geben, was dir auf der Reise helfen wird?“. Das war ein sehr positives Shit-Sandwich. Und dann kam genau das Feedforward, was du erwähnt hast: „Wenn du in Zukunft noch mehr lächelst, wird genau das passieren, was hier gerade passiert ist. Die Menschen werden freudig sein und miteinander lachen.“ Und genau das ist dann auch passiert. Das war vorbildlich. Das ist mir gerade erst in diesem Gespräch bewusst geworden, danke dir.
Christian: Gerne. Wir haben also nun über Hard Skills und Soft Skills gesprochen. Jetzt sind wir bei 100 Prozent. Waren das alle Feedback-Situationen?
Michael: Ja, stimmt. 100 Prozent. Nur komischerweise haben wir erst drei von sechs Feedback-Situationen besprochen. Irgendwas muss da also noch kommen.
Christian: Ich wäre gespannt, wenn ich nicht schon eine Ahnung hätte, in welche Richtung das jetzt geht.
Michael: Ich komme in eine dieser Feedback-Situationen hinein, weil ich das Verhalten von einem Menschen beobachte und ein Gefühl habe: Ich möchte dem etwas sagen. Das, was wir bisher beschrieben haben, war zum einen die positive Affirmation. 85 Prozent. Zum anderen ging es um Feedforward zum Aufbauen von Skills - Hard Skills und Soft Skills. Das Interessante an menschlichem Verhalten ist nun vor allem das, was das Verhalten antreibt. Das ist zum einen das, was ein Mensch kann. Das nennen wir Kompetenzen, Skills, Wissen, Knowledge usw. Zum anderen ist es auch unsere Persönlichkeit oder unser Charakter, also der Typ Mensch mit seinen Präferenzen, seiner Komfortzone. All das hat Einfluss darauf, wie ich mich verhalte. Es gibt allerdings noch eine andere Kategorie, die Einfluss auf mein Verhalten hat. Das sind meine Glaubenssätze. Was war das nochmal?
Christian: Das sind die Dinge, die ich glaube. Das, was ich für wahr halte. Meine Glaubenssätze können positiv sein, im Sinne von, ich kann alles schaffen oder negativ, im Sinne von, in Mathe war ich schon immer schlecht.
Michael: Genau. Für die positiven Glaubenssätze, gibt es ein Wort: Selbstaffirmation. Es ist wie die positive Affirmation nur, dass ich sie mir selbst gebe. Die negativen Glaubenssätze sind die sogenannten limitierenden Glaubenssätze oder auch limitierenden Entscheidungen. Umgangssprachlich könnte ich sagen, ich stehe mir selbst im Weg. Ich könnte also eigentlich Ergebnisse erzielen, Mitarbeiter halten, einen positiven Beitrag leisten, nur aus irgendeinem Grund halte ich mich selber davon zurück. Ich habe vielleicht irgendetwas in meinem Kopf, etwas, das ich glaube und das mich entscheiden lässt, das nicht zu tun. Das ist eine Situation, in der ich auch ein Feedforward bekommen kann. Wenn ich also eine Mitarbeiterin beobachte, die durch einen limitierenden Glaubenssatz an etwas gehindert wird, gebe ich ihr eher keine positive Affirmation dazu. Wenn ein limitierender Glaubenssatz vorliegt, kann es gefährlich sein, wenn ich dann fälschlicherweise anfange, ein Haufen Feedforward zu geben: „Bau mal die und die Skills auf und arbeite an deinem Mindset und und und.“ Da bin ich dann leider auf dem Holzweg. Das ist etwas, bei dem ich jemandem nur dann helfen kann, wenn sie es selbst erkannt hat und bereit ist, daran zu arbeiten. Hier hole ich dann besser einen Coach dazu, zumindest wenn ich nicht selber mal eine Coaching-Ausbildung gemacht habe oder etwas von NLP verstehe.
Christian: Wenn ich als Führungskraft eine Coaching-Ausbildung habe, bin ja möglicherweise befangen. Ich stelle mir also die Frage, ob ich dann der geeignete Coach bin. Es ist so ähnlich wie in der eigenen Familie. Ich habe deshalb daheim Coaching-Verbot. [grinst] Dazu kommt: Ich kann mich natürlich auch nicht selber coachen. Die Distanz eines externen Coaches hilft also.
Michael: Ja, das stimmt. Es fühlt sich wie ein Interessenkonflikt an, als professioneller Coach zu sagen, „Du darfst dir dazu einen externen Coach suchen“. Doch meine eigene Erfahrung ist auch, dass ich das als Führungskraft nie selber hingekriegt habe. Damals konnte ich es auch noch nicht und auch jetzt fühle ich mich viel wohler, wenn das jemand anders macht. Es ist ein komisches Gefühl, wenn ich es selbst versuche.
Christian: Der Michael und der Christian sind zum Beispiel gute Coaches, die ihr buchen könnt. [lacht] Es gibt noch einen anderen Aspekt, den ich ganz spannend finde. Jemand hat mir mal gesagt, dass es Sachen gibt, die ich managen kann. Dann gibt es Sachen, die ich coachen kann oder besser, die coachbar sind. Und dann gibt es noch Verhaltensweisen, die therapiepflichtig sind. An dem Punkt darf ich mir dann auch durchaus eingestehen, dass das etwas außerhalb meines Scopes ist. Denn auch Verhaltensweisen und Glaubenssätze können krankhaft werden. Das ist dann also gegebenenfalls die nächste Entscheidung, die anstehen kann.
Michael: Da geht es dann noch tiefer und Coaching reicht da womöglich nicht. Hier bin ich vielleicht bei einem Psychologen oder Psychater besser aufgehoben. Möglicherweise ist dann wirklich etwas nicht in Ordnung und hat dann eine bestimmte Verhaltensweise zur Folge.
Christian: Also tatsächlich vielleicht krankhaft.
Michael: Es gibt noch einen weiteren Fall, etwas das unser Verhalten auch sehr stark beeinflusst und das sind unsere Werte. Wir sprechen ja sehr oft von dem Werte-fit. Also eine Übereinstimmung der gemeinsamen Werten in der Firma und den Werten des Individuums. Je größer dieser Fit ist und die Werte übereinstimmen, desto besser passen auch die Verhaltensweisen zusammen, die dazu führen, dass wir gemeinsam Ergebnisse erzielen und Mitarbeiter halten. Wenn ich also in einer Situation bin, in der ich eine Verhaltensweise beobachte und im Ausschlussverfahren feststelle, dass es weder eine Kompetenzsache ist, noch mit dem Persönlichkeitstyp zutun hat und auch kein limitierender Glaubenssatz dahintersteckt. Dann könnte es sein, das etwas anderes das Verhalten beeinflusst. Dann ist es möglicherweise die Tatsache, dass die Person nicht zu den Unternehmenswerten passt. Wenn ich dann mit Feedforward an die Sache herangehe, werde ich schnell feststellen, dass das nicht klappt. Da habe ich mir echt schon oft einen abgebrochen. Ich glaube, davon kann wahrscheinlich jeder ein Lied singen, der schon mal in einer Führungsrolle war. Das ist diese Sisyphos-Geschichte. Ich versuche jemand anderes dazu zu bewegen, sich zu ändern oder noch schlimmer, ich versuche denjenigen selbst zu verändern und merke dann schnell, dass das überhaupt nicht klappt. Ich komme immer wieder an dem Punkt, Feedback zu geben und es ändert sich absolut gar nichts. Das könnte ein guter Indikator dafür sein, dass es ein Werteproblem gibt. Der Fit ist nicht da.
Christian: … oder wenn es nicht vorangeht. „Ich habe das schon so oft angesprochen…“.
Michael: Ja, genau. Wir haben doch schon mal über das TEV-Modell und Topgrading gesprochen. Wenn der Wertefit fehlt, habe ich keine Feedback-Situation, sondern eine Situation, in der ich mich als Führungskraft dafür entscheiden darf, das Arbeitsverhältnis aufzulösen. Es ist dann einfach besser, sich voneinander zu trennen. Am Ende führt das meistens zu einer besseren Situation für beide Seiten. Jetzt haben wir schon fünf Situationen besprochen. Nummer 1: Positive Affirmation. Nummer 2: Feedforward für Hard Skills. Nummer 3: Feedforward für Soft Skills. Nummer 4: Limitierende Glaubenssätze durch Coaching auflösen. Nummer 5: Fehlender Wertefit. Hier ist es besser sich voneinander zu trennen.
Christian: Und jetzt?! Jetzt sind wir wieder am Anfang?
Michael: Das war ganz clever eingeleitet. [grinst]
Christian: Triggern. Wenn mich etwas triggert, dann liegt das Problem nicht beim anderen, sondern bei mir, tief in mir.
Michael: Das ist die Situation, wenn ich jemanden beobachte und denke, „Boah, was ist das denn?!“
Christian: „Alleine wie der schon geht, nervt mich!“
Michael: Ich merke das daran, dass es etwas Emotionales in mir auslöst. Wenn ich also genervt bin oder mich angezipft fühle - das ist das Trigger-Gefühl. Das geht von 0 auf 100 in wenigen Sekunden. Hier hilft es nun, die Situation rational zu bewerten und mir die entscheidenden Fragen zu stellen: Erzielt diejenige damit Ergebnisse? “Ja, doch schon.” Kann ich mit dieser Verhaltensweise die richtigen Leute im Team halten? “Ja, die anderen scheinen das alle okay zu finden.” Zahlt es auf unseren Purpose, die Vision, unsere Werte und Strategien ein? “Ja, trägt schon dazu bei.“ Dann komme ich der Wahrheit nah und merke, dass es sich gerade hier um mich dreht. Das Problem liegt in mir. Ich habe hier einen roten Punkt und werde gerade getriggert.
Christian: Die Hella, meine Frau, sagt dazu immer so schön: „Es gehören immer zwei dazu. Einer, der den Knopf drückt und einer, der den Knopf drücken lässt“.
Michael: Ja, herrlich. Weißt du, was Patrizia mir letzte Woche gesagt hat? Da haben wir auch über das Thema gesprochen. Sie sagte: „Ich habe erkannt, mein Schatz, du bist mein Trigger-Begleiter im Leben“.
Christian: Pflegekraft für die Trigger?!
Michael: Immer wenn ich erkenne, „Da löst gerade ein anderer Mensch meinen Trigger aus“ - das ist eine Falle. Die Wahrheit ist natürlich, dass der andere Mensch gar nichts auslöst. Der macht einfach, was er eben macht. Ich selber löse den Trigger aus. Das findet nur in meinem eigen Kopf statt, in meinem eigenen Geist. Es passiert mit meinem Verstand. Wenn ich nun anfange diese Menschen, die vermeintlich meinen Trigger auslösen und es gar nicht wirklich tun, als meine Trigger-Begleiter im Leben zu betrachten, dann erhalte ich auf einmal ein ganz anderes Verhältnis zu diesen Menschen. Und schon sind wir wieder am Anfang. Dort wo wir das Gespräch so schön angefangen haben. Denn in diesem Fall, in der sechsten Situation, in der vermeintlichen Feedback-Situation, ist die richtige Aktion für mich, einfach mal die Klappe zu halten und an mir selbst zu arbeiten. Da gibt es ein schönes Wort im Englischen für: Superiority. Überlegenheit praktizieren. Überlegenheit meint hier, über den Dingen zu stehen. Über der Situation zu stehen und es einfach so zu akzeptieren, wie es ist.
Christian: Das klingt sehr einfach, wenn du das sagst. Ist es tatsächlich auch für mich. Wie mache ich das? Einfach die Klappe halten!
Michael: Es ist eine immerwährende Aufgabe. Ich finde, dass es leichter wird mit der Zeit.
Christian: Klasse, vielen Dank Michael. Dann halten wir jetzt die Klappe.
Michael: Ich danke dir. Feedback ist ein Geschenk. Danke dafür.
Michael: Puhh… Zum ersten Mal fühlt sich das Feedback-Thema einfach an. Positives zu sagen fällt mir viel leichter und das Feedback-Sandwich scheint mir schon lange nicht mehr besonders hilfreich. Limitierende Glaubenssätze und Trigger… das in Verbindung mit den Feedback-Situationen macht für mich vieles klarer! Jetzt stelle ich mir noch die Frage, wie ich mir und Menschen helfen kann, limitierende Glaubenssätze zu erkennen und zu überwinden und die roten Triggerpunkte zu bekämpfen. Ich gehe vielleicht nochmal zurück zum Thema Glaubenssätze. Und wieder bin ich bei mir selbst. Selbstreflexion. Awareness. Superiority. Ultimative Verhaltensflexibilität for life.