WOFÜR ENTSPANNT PRODUKTIVE-FÜHRUNG DIE WELT VERBESSERT
Christian: Hallo Michael.
Michael: Hey Christian.
Christian: Where awareness goes, energy flows. Hatten wir schon mal. Das heißt wo ich meine Aufmerksamkeit hinschiebe, das sind die wichtigen Sachen und das sind auch die Sachen, die passieren. Das heißt wenn ich im Unternehmen will, dass Sachen passieren, messe ich die auch, damit ich weiß „okay, meine awareness geht dahin, meine Aufmerksamkeit geht auf diese Dinge“ und die werden dann gemessen. Das heißt auf der anderen Seite auch ich darf sehr sorgfältig auswählen, was ich messe im Unternehmen, weil es das ist, was passiert.
Michael: Ja und dass ich überhaupt was messe wäre schon ein guter Start. „You get what you measure“ heißt der schöne Spruch, den ich mir dazu gemerkt habe.
Christian: Die erste Frage: Was ist denn wichtig im Unternehmen um gemessen zu werden und die zweite Frage ist dann „woran würden wir erkennen, dass wir darin gut sind oder dass wir darin besser werden?“.
Michael: Genau wie bei der Zielsetzung, „woran erkenne ich, dass ich am Ziel angekommen bin, woran messe ich das?“.
Christian: Da gibt es ja einige Methoden.
Michael: Eine ganze Menge. Mir sind einige untergekommen.
Christian: Dann erzähl doch mal. Du hast doch aus deiner Callcenter-Zeit bestimmt welche.
Michael: Ja das war natürlich so das Extrem, was ich da mitbekommen habe zum Thema „we get what we measure“, meine Callcenter-Geschichte, die geht so: Ich bin da wo hingekommen in einen Firmenbereich „customer care“ und durfte dann auf einmal helfen, Callcenter zu managen. Das Problem war am Anfang, dass dieser ganze Firmenbereich einen sehr schlechten Ruf hatte, weil er sehr schlechte Ergebnisse beim Kunden lieferte, sprich die Kunden beschwerten sich aktiv darüber, wie schlecht der Service ist.
Christian: Das heißt was ihr gemessen habt oder bevor du kamst, wurde gemessen „wie oft ruft ein Kunde an und beschwert sich?“.
Michael: Ja das wäre schön wenn wir das schon mal gehabt hätten. Nein was wirklich gemessen wurde, war einfach, wie viele E-Mails, wie viele Eskalationen, wie viele Anrufe landen beim CEO auf dem Tisch, wo irgendjemand sich meldet, weil er sagt „euer Laden läuft nicht, kannst du mir mal helfen bitte das und das für mich zu regeln“, weil wenn es nicht gut läuft, finden die Anfragen, ihre Sachen zu fixen, ihren eigenen Weg über so informelle Kanäle und auf einmal wird der CEO dann zum Chief Customer Agent, was er natürlich nicht sein sollte. Damit ging es eigentlich los. Bei näherer Betrachtung hatten wir dann ein Service-Level definiert, ein Kriterium, das ist im Callcenter sehr oft definiert auf die simple Weise mit „wie lange dauert das bis jemand rangeht“. Wenn ich jetzt die Nummer anrufe, wie oft klingelt es dann und nach dem Klingeln, wie oft muss ich dann Wartemusik hören, bis ich einen Agenten dran habe.
Christian: Das ist ja auch tatsächlich automatisiert messbar.
Michael: Genau das ist das Tolle in dem ganzen Callcenter-Bereich und das heute noch mehr so als vor zehn Jahren, wo mein Beispiel herkommt, dass das halt alles komplett elektronisch verwaltet, geroutet und zugestellt wird und an jeder Stelle so ziemlich alles gemessen werden kann und gemessen wird.
Christian: Das heißt ihr konntet alles messen und ihr habt auch alles gemessen?
Michael: Am Anfang noch nicht. Am Anfang haben wir nur gemessen „halten wir diesen Service-Level ein“, zum Beispiel wenn 80 % aller Anrufe innerhalb von 20 Sekunden beantwortet werden, dann hatten wir unser Ziel erreicht. Das war die Zielvorgabe, die wir als Erstes hatten.
Christian: Das klingt so ein bisschen nach der Deutschen Bahn, die gesagt hat „90 % kommen maximal fünf Minuten zu spät“.
Michael: Ja die haben gesagt, dass weniger als 80 % aller Züge nicht mehr als fünf Minuten zu spät kommen dürfen.
Christian: Auch eine schöne positive Formulierung.
Michael: Muss ich immer dreimal drüber nachdenken, was das heißt. Bei uns sollte der Kunde innerhalb von 20 Sekunden beim Agenten sein, wenn er nicht zwischendurch schon in den automatischen Ansagen seine Lösung gefunden hat, da hat sich ja sehr viel getan. Das haben wir nicht erreicht. Wir waren am Anfang bei stolzen 6 %. Wir haben es geschafft 6 % aller Calls innerhalb von 30 Sekunden anzunehmen. Das war ein unterirdisches Ergebnis, obwohl wir schon was gemessen hatten. Was wir dann gemacht haben, was am Ende sehr geholfen hat, da auch zum Ziel zu kommen, mal abgesehen davon, dass wir erstmal viel mehr Leute einstellen mussten, Prozesse verbessern mussten und und und um das Ergebnis erreichen zu können und in der Messung der Ergebnisse sind wir dann so vorgegangen, dass wir diese Gesamtzahl, das war für ein paar Tausend Mitarbeiter, diese Gesamtzahl erstmal heruntergebrochen haben. Wir haben dann nach Bereich geguckt „wie ist denn der Service-Level für das Produkt und für das Produkt, wie ist er in dem Callcenter und in dem Callcenter“ und haben das dann untereinander verglichen und Benchmarks gemacht und haben dann halt auch die Erfolgswelle gefunden, dass es dann auch Teams gab, so 10-12 Leute, dann haben wir auf Teamebene gemessen, wie die den Servicelevel hatten und da gab es große Unterschiede und dann haben wir innerhalb der Teams auch transparent gemacht für jeden Mitarbeiter, wie der Servicelevel bei dem Mitarbeiter ist. Natürlich insofern dass es in seinen Möglichkeiten liegt, da auch das zu bieten. Das waren jetzt nicht nur die 30 Sekunden, da kamen dann noch andere Kriterien hinzu. Zum Beispiel wie lange so ein Anruf dauert, wie wird der Anruf vom Kunden bewertet und und und. Wir haben das dann komplett durchgemessen und festgestellt, was wo lag und konnten dann ganz gezielt rangehen und verbessern und alle haben zu jeder Zeit alle Ergebnisse auf riesengroßen Fernsehmonitoren dargestellt bekommen, um zu sehen wie die Verbesserung läuft und den Progress da auch selber mitzuerleben und auch mitzuerleben, wann es nicht so gut läuft und vielleicht mal die Leute ein bisschen früher aus der Kaffeepause zurückkommen oder nicht erst gehen, weil gerade Not am Mann ist. War eine coole Erfahrung.
Christian: Das heißt die Teams haben auch ähnliche Sachen gemacht und haben sich unterschieden in der Zielerreichung?
Michael: Genau. Am Anfang machte jeder alles, ein Teil der verbesserten Strategie war dann nachher das auch zu unterteilen und auf Basis von Wissen und Skills die Anrufe je nach Thema zu verschiedenen Leuten zu schicken. Das war auch ein Teil der Lösung, das mussten wir aber erstmal lernen und messen, wo da die Probleme liegen, dass die richtige Frage auch zum richtigen Mitarbeiter kommt.
Christian: Jetzt gibt es ja da höchstwahrscheinlich unterschiedliche Kriterien. Was ihr da jetzt gemessen habt war Performance, Antwortzeiten, höchstwahrscheinlich sind auch die Anrufe, die Beschwerdeanrufe zurückgegangen, das wäre so ein Qualitätsindikator. Was gibt es noch für Indikatoren, die ich messen kann?
Michael: Für uns ist natürlich interessant als „Chief of Anything“, als Firmenlenker oder Lenker eines Teams oder auch als Lenker meines Lebens, was sind denn so die großen Parameter, auf die ich gucken muss, um mein Ziel zu erreichen? Wir sprechen ja von purpose, vision, values, strategies. Da haben wir natürlich den Check „wie sehr leben wir unseren purpose, wie nahe sind wir unserem Ziel gekommen“, da stehen ja auch immer smarte Kriterien drin, die ich messen kann. Bei den values ist es eher ein indirekter approach das zu messen und bei den strategies, da sind wir jetzt am ehesten auf dem operationalen Level, da habe ich ja ganz konkrete kpi’s in jeder strategy festgelegt, entweder als Smartgoal oder als oka oder was auch immer für eine Methodologie ich benutze. Alle erfolgreichen Methodologien haben es gemeinsam, dass die kpi’s klar festgelegt sind. Wenn ich jetzt zum Beispiel measure „wir verbessern unsere Kundenzufriedenheit um 10 %“ dann weiß ich auch genau, woran ich das messe.
Christian: Wie messe ich denn Kundenzufriedenheit? Über die Anzahl von weniger E-Mails, die ich mit Beschwerden kriege?
Michael: Indirekt darüber. Die Standardmethode dafür ist das sogenannte nps, net promoter score, da stelle ich dem Kunden einfach die Frage nach einer Interaktion mit meiner Firma auf einer Skala von 1-10 „wie sehr würdest du uns Freunden oder Verwandten weiterempfehlen“. Dann wählen die aus und dabei gilt alles mit einer 9 oder 10 bewertete als positive Empfehlung, alles mit einer 7 oder 8 gilt als neutral und alles ab 6 abwärts gilt als Nicht-Empfehlung. Die kann ich dann so vermessen und als Prozentzahlen darstellen, dann kriege ich am Ende einen score raus zwischen -100 % und +100 % und das ist so momentan die weltweit gängigste Methode zur Vermessung von Kundenzufriedenheit, die Weiterempfehlungsrate.
Christian: In welcher Größenordnung bewegen wir uns dann da? Gibt es da jemanden, der 100 % hat?
Michael: Gibt es schon. Bei sehr kleinen Kundenmengen und wenn alle natürlich auf eine 10 klicken, dann habe ich auch die 100 %, wenn allerdings schon einer dabei ist, der mal 7 oder 8 sagt, dann fließt das direkt ins Ergebnis ein. Mathematisch funktioniert das so, ich gucke wie viel Prozent habe ich mit 9 oder 10 und ziehe davon ab die Anzahl an Prozenten, die ich mit 1-6 habe und die 7 und 8 lasse ich einfach unbeachtet. 100 % ist natürlich sehr selten. Als Weltklasse in einer größeren Organisation, wo schon 10, 20, 50, 100 oder mehr Mitarbeiter beteiligt sind oder Kunden auch dann da sind, sind so Zahlen ab 70 aufwärts. Alles von 20-50 % gilt als gut, unter 20 % ist befriedigend und sobald es ins Negative geht, ist es halt schlecht.
Christian: Der kann auch negativ werden.
Michael: Ja. Nämlich dann, wenn keiner 9 oder 10 gibt und viele 1-6 geben, dann wird halt 0 minus der Prozentzahl der 1-6 und dann springen da negative Prozentzahlen heraus.
Christian: Das heißt ich habe dann gar keine Fans als Kunden, sondern Feinde?
Michael: Genau. Die sagen dann „so und so, die haben das einzige Produkt, geht kein Weg drum herum, aber empfehlen kann ich sie dir nicht“.
Christian: Sobald jemand anders dasselbe Produkt oder dieselbe Dienstleistung anbietet, bin ich dann weg.
Michael: Dann bin ich weg, dann gehe ich sofort woanders hin. So eine Firma kann langfristig nur überleben, wenn sie tatsächlich einen Preis hat, der so herausragend ist, dass der alles andere wettmacht. Ist aber nicht wirklich sustainable.
Christian: Ja spannend. Bei dem Callcenter-Geschäftsmodell ist es ja automatisiert messbar. Bei jedem Anruf, der reinkommt, weiß ich sofort was passiert und danach wird vielleicht noch der score abgefragt. Wir hatten ja bei „chicco“ immer die Herausforderung, dass es ein relativ behäbiges Geschäft war und sich auch täglich nicht so viel geändert hat. Was wir gemacht haben, wir hatten die sogenannte Prosecco-Grenze, da haben wir dann mit SMS am Anfang gearbeitet und die Kaffeebars, die einen neuen Umsatzrekord an der Bar gemacht haben, die haben geschrieben „hallo, wir haben neuen Umsatzrekord gemacht und dafür gab es dann eine Flasche Prosecco für alle, die da mitgemacht haben“. Das Schöne daran war, dass alle mitgekriegt haben, das war per E-Mail tatsächlich, „okay, es passiert was, es gibt Bars, die den Umsatz wieder gesteigert haben“, das waren dann Donnerstage oder außerhalb der Ferien, wo dann viele Rekorde gepurzelt sind. Das Andere was wir gemacht haben als Visualisierung, wir hatten einen großen Glaszylinder, wo immer wenn wir eine neue Kaffeebar aufgemacht haben, so einen kleinen Styroporball da eingeworfen mit Markierung, bis wo wir dieses Jahr hinkommen wollten.
Michael: Den Fortschritt da zu zeigen ist total hilfreich und auch schön und nimmt dann auch alle Leute mit, statt dass ich als Chef da alleine irgendwo sitze und mir die Zahlen und Auswertungen angucke, das transparent zu machen, hilft mir schon alleine, dass es von alleine dahingeht. Unsere Callcenter-Geschichte ist dann so geendet, dass wir da halt überall Bildschirme aufgehangen haben, haben die Ergebnisse pro Team und für die gesamte Organisation alterierend immer dargestellt auf den Screens mit konkreten Prozentzahlen und wir haben dann auch kommuniziert, was unser Jahresziel ist, nämlich von diesen 6 % auf die 80 % zu kommen und das konnten die dann jeden Tag sehen wie es besser wurde. Nach ein paar Monaten wurde es besser und irgendwann hatten wir die 80 %. Dann gab es eine Riesenfeier und dann gab es auch ein Lob vom CEO und so weiter und der hat sich dann nochmal an alle gewandt und bedankt, die Kunden natürlich auch, die das spürbar gemerkt haben, dass es funktionierte. Das hat weniger als ein Jahr gedauert, bis wir da am Ziel waren und hatten das ganze Servicemodell von unterirdisch auf Weltklasse verbessert. Ohne Messung wäre das nicht gegangen. Das Umgekehrte ist sogar der Fall. Es ist total ungerecht für die Mitarbeiter, wenn die dauernd erzählt bekommen, wie schlecht der Service ist und ich gebe ihnen nicht die Mittel, um das verbessern zu können. So als würde einer zu dir sagen „du fährst mit deinem Auto zu langsam, du müsstest eigentlich so und so viel Stundenkilometer fahren“ und dann gibt er dir aber ein Auto ohne Kilometerzähler.
Christian: Schwierig.
Michael: Kann gar nicht gehen.
Christian: Ja ich kann das natürlich als Chef auch immer nutzen und sagen „okay, ich habe mir deine Zahlen angeguckt von der letzten Woche, vom letzten Tag, wie kann ich dich unterstützen, dass das besser wird?“. Die Prozessverbesserungen, die Verbesserung der Struktur ist viel leichter für mich als Chef zu machen, wenn ich auch die Zahlen kenne.
Michael: Und der Mitarbeiter kann selbstverantwortlich arbeiten, der sieht seine Ergebnisse und kann sich selber überlegen, wie er es verbessern kann und ich werde zur Support-Funktion anstatt zu versuchen mit Mikro-Management andere Lösungen zu finden, wo ich es ja auch nicht weiß. Da fällt mir noch ein: Wir hatten ja jetzt so die Kundenperspektive mit nps und dem Servicelevel, für die Mitarbeiter ist das natürlich für mich als Chef auch eine klasse Gelegenheit die zu fragen „wie gut gefällt es dir hier im Unternehmen auf einer Skala von 1-10? Wie sehr würdest du guten Freunden oder Verwandten von dir empfehlen hier bei uns anzuheuern?“ employee net promoter score, enps genannt, damit decke ich die interne Perspektive ab und kann mir da auch klasse Feedback mit abholen „was müssen wir denn verbessern damit du dich in zwei Jahren hier immer noch arbeiten siehst und nicht dass das Gefühl hast, dass das hier eher temporär ist“. Das ist die interne Perspektive. Eben hatten wir extern, die Kundenperspektive, muss ich mir überlegen „was will ich da draußen messen, ob wir erfolgreich sein“, ich kann die Marke messen, ich kann die Zufriedenheit messen und intern messe ich halt „wie gut laufen meine Prozesse und wie glücklich sind die Mitarbeiter“. Ziel von Management ist ja…
Christian: Ergebnisse erzielen und Mitarbeiter halten. Ja klasse. Also was ich messe, ist was passiert deswegen ist es wichtig, dass ich die richtigen Sachen messe und auch meine Aufmerksamkeit darauf richte.
Michael: Da habe ich noch eine Sache gelernt, zum Abschluss, nämlich nicht nur eins messen sondern immer Paare von Messgrößen nehmen, die sich gegenseitig ergänzen, damit ich ein ausgeglichenes Verhalten erzeuge.
Christian: Das heißt wenn ich nur messen würde, dass es nur einmal klingelt, bevor jemand rangeht, geht jemand ran und kann das Problem dann nicht lösen.
Michael: Ja dann gehen die ganz schnell ran und legen auf. Dann kriege ich dann ein korrumpiertes Ergebnis, dann kriege ich den sensationellsten Servicelevel der Welt und die Kunden sind immer noch unzufrieden, da braucht man als Ausgleich auch die Bewertung wie gut die Lösung geholfen hat, dann habe ich die Balance geschaffen. Anderes schönes Beispiel ist wenn ich Finanzgrößen messe. Umsatz kann ich messen, dann kann ich es vielleicht sein, dass mein Sales-Team turbomäßig Umsatz generiert, aber wenn dieser Umsatz am Ende nicht profitabel ist, weil viel zu viel an Werbung rausgehauen wird, dann ist das auch nicht hilfreich für die Firma. Also brauche ich eventuell zwei Größen: Umsatzsteigerung und Profitabilität. Eine reicht nicht, zwei Größen. Zwei Größen sind mehr als eine Größe.
Christian: Das stimmt. Vielen Dank Michael.
Michael: Jo, tschüss.