WOFÜR ENTSPANNT PRODUKTIVE-FÜHRUNG DIE WELT VERBESSERT
Christian: Hallo Manuel.
Manuel: Hallo Christian, hallo Michael.
Michael: Manuel, ich grüße dich. Christiano, buongiorno.
Christian: Heute bei uns im Podcast: Manuel Pistner, herzlich willkommen. Sag mal Manuel, wer bist du und was machst du?
Manuel: Manuel Pistner. Wer bin ich? Ich bin Unternehmer aus Leidenschaft, ich mache gerne Sport, ich habe Informatik studiert und ich helfe heute dabei Unternehmen sich zu systematisieren und sich dann mit Freelancern und globalen Talenten zu skalieren.
Christian: Was bedeutet das konkret, was bietet ihr an, was ist euer Produkt?
Manuel: Bei Flash Hub bieten wir quasi eine Kombination aus E-Learning und done-with-you-services an, um die wichtigsten Geschäftsprozesse vom Marketing bis hin zur Produktion zu systematisieren und sie dann zu digitalisieren, sodass sie dann eben von Freelancern, die überall in der Welt sitzen, ausgeführt werden können und es damit keine Personalengpässe mehr gibt.
Michael: Da merke ich schon, das Gespräch wird sehr interessant. „Die überall in der Welt sitzen“ – was kommt dir denn in den Sinn, wenn du diesen Begriff remote Leadership hörst?
Manuel: Das Beste, das Unternehmen passieren konnte, dass Corona denen mal ordentlich in den Hinter getreten hat und sie sehen, dass es auch anders funktionieren kann, weil dadurch geht eben die Welt auf, sich den Rekrutierungsradius nicht nur 100 km ums eigene Büro zu bauen, sondern eben die Welt als Talentpool zu nutzen.
Michael: Kannst du da ein bisschen mehr noch von erzählen? Das klingt sehr spannend.
Manuel: Da kann ich wahrscheinlich Bücher drüber schauen und Stunden füllen. Wenn ich heute schon per remote arbeiten muss, dann kann ich doch mit Leuten aus der ganzen Welt arbeiten. Die Hürden, die ich mir dabei aufgebaut habe, nämlich so Glaubenssätze, die durchs Büro entstanden sind „wir müssen ständig kommunizieren“ und „wir müssen uns am Water Cooler treffen, weil sonst werden keine Probleme mehr gelöst“, das ist halt alles durch dieses Tool, was sich Büro nennt, irgendwie gefördert worden, aber das ist nicht wirklich notwendig um Arbeit zu erledigen. Auch, dass wir immer Arbeit und Soziales miteinander verwechseln, indem wir sagen „ich muss aber mal meine Leute um mich herum haben, weil wir brauchen eine soziale Connection, sonst funktioniert die Kultur nicht“ und das, was man immer so hört. Klar sind wir alle soziale Wesen, aber ich brauche das nicht und es muss nicht sein, um Arbeit zu erledigen. Wenn ich das alles mal ablege und Führung rein auf Ergebnis definiere, dann kann ich mit Leuten überall arbeiten, wenn ich denn einen expliziten Qualitätsstandard habe und damit wird Arbeit skalierbar.
Michael: Jetzt kann ich mir vorstellen, dass gerade eine Reihe zuhören und sagen „Moment, ich brauche meinen Water Cooler aber doch und ich brauche die Kaffeeküche doch und ich brauche doch diesen casual talk zwischendurch“. Ich nehme mal an, das geht dann irgendwie anders oder sagst du „das wird gar nicht gebraucht und das war alles Quatsch“?
Manuel: Ganz lustiges Beispiel, ich arbeite mit aktuell über 150 Freelancern aus 67 Ländern zusammen und habe 12 festangestellte Mitarbeiter. Wir bieten jeden Freitag eine 1 ½ stündige „coffee break“ an. Da kommen meistens sechs bis zehn Leute. Die restlichen machen einfach einen exzellenten Job, aber brauchen nicht freitags ein zweistündiges Meeting, um ihre sozialen Bedürfnisse zu befriedigen, weil die sind komplett frei und unabhängig und befriedigen die, wann immer sie Bock haben. Es ist mit dem Job vereinbar und wir lassen sie in Ruhe ihren Job machen und wir lassen sie in Ruhe ihr Privatleben leben und das miteinander im Einklang.
Michael: Da habe ich das Gefühl ihr seid da schon ein Stückchen weiter in der Zukunft als wahrscheinlich viele Firmen bis jetzt und für mich klingt das sehr aufregend und spannend. Wie stelle ich mir da so eine Standard-Arbeitswoche vor? 167 Leute, Freelancer rund um die Welt, 12 Festangestellte, kannst du noch ein bisschen näher beschreiben, wie der Arbeitsalltag aussieht?
Manuel: Der ist geprägt von viel Fokus, klaren Timeboxen, wo Leute bestimmte Dinge tun, statt sich die ganze Zeit ständig zu unterbrechen in irgendwelchen Meetings und Chatnachrichten und Hilferufe und Telefonanrufe und keiner kommt zu irgendwas und vor allem acht bis zehn Stunden in Meetings zu sein, weil wir die ganze Zeit kommunizieren müssen. Das haben wir alles nicht. Wir versuchen unsere Arbeit zu systematisieren, zu strukturieren, sodass jeder fokussiert seinen oder ihren Job machen kann und es gibt immer einen Ansprechpartner, den man jederzeit um Hilfe fragen kann. Das geht dann über eine Terminbuchung im Kalender mit einer klaren Agenda und den Fragen drin. Wenn die Fragen drinstehen, kann mir die andere Person einfach die Fragen beantworten und ich kann weitermachen. Dafür brauche ich kein Meeting.
Michael: Cool, das Gespräch wird echt interessant. Eine Sache noch ganz kurz, ich hatte gedacht, du würdest antworten „wir machen Slack und haben Channels und treffen uns da und machen Zoom usw.“ und jetzt höre ich da gerade raus „wir haben ziemlich viel Fokus und die Leute können eigentlich ziemlich viel arbeiten“. Was bleibt denn da noch übrig in der Art und Weise wie ihr arbeitet? Was ist so die Essenz im Zwischenmenschlichen, die dann schon noch erforderlich ist, damit die 180 Leute sich auch wohlfühlen?
Manuel: Schau mal, wenn wir die ganze Zeit, die wir mit zielloser, unstrukturierter Kommunikation in Meetings verbringen, wenn wir die einfach mal wegdenken und gucken „wie viel bleibt am Tag noch übrig an Zeit, in der wir unsere Arbeit machen können?“, dann kann ich die gesparte Zeit nehmen um meine ganzen sozialen Bedürfnisse zu befriedigen und kann es auch mit meinen Kollegen tun, wenn ich darauf Lust habe. Die Arbeit wäre so viel effizienter, wenn ich a) klar meine Ergebnisse definiere, die ich haben möchte, von mir selbst und meinem Team, dann dem Team erlaube fokussiert zu sein, statt sie die ganze Zeit in irgendwelche Meetings zu involvieren und einen Support anzubieten, wo ich immer nach Hilfe fragen kann, wenn ich denn Fragen habe. Lass uns mal über das Projekt sprechen und Meeting über zehn Leute, das sind keine Fragen. So Meetings lehnen wir dann ab. Wenn es Fragen gibt, beantworten wir die natürlich immer. Das Schöne an der digitalen Arbeit ist, dass ich Fragen einfach digital beantworten kann, indem ich ein Video mache und schicke den Link zu jemand, dann geht das asynchron, geht meist schneller als ein Meeting und das Knowhow bleibt persistent, d. h. wenn jemand nochmal eine ähnliche Frage hat, kann ich ihm den Link nochmal schicken und so baut sich die knowledge base per Autopilot auf. Dann habe ich eine Organisation, die fördert zielorientiertes Arbeiten, Fokus, Unabhängigkeit und das macht die Leute deutlich freier.
Michael: Deutliche Werte. Jetzt sagst du gerade „als Chef darf ich Ziele sehr klar definieren“.
Manuel: Nicht ich als Chef.
Michael: Wenn ich überlege „ich bin Chef von meiner Firma, dann heißt das, ich darf in so einer Situation Ziele klar definieren“ und dann darf ich auch Support geben. Jetzt in deiner Situation, wie sieht denn der Support aus, den du gibst? Wie gestaltest du den?
Manuel: Link zu meinem Kalender, wo sich die Leute einen Termin buchen können. Das ist ein Coachingcall, die tragen ihre Fragen dort ein und die Leute sagen dann „ich wollte gerade ein Termin mit dir buchen, als ich die Fragen da rein geschrieben habe, sind mir eigentlich schon die Antworten gekommen“. Das ist genau die Power von richtigen Fragen. Das zwingt die Leute in eine Eigenverantwortung und hilft ihnen dabei selbst ihre Lösung auf Probleme zu finden.
Michael: Cool, danke.
Christian: Manuel, wie ist denn dein Unternehmen, wenn es richtig läuft? Also wenn es so ganz richtig läuft, klingt das ja für mich so, es schreibt dir auch gar keiner und will einen Termin mit dir haben, die coachen sich alle selber dadurch. Wo siehst du denn deine Aufgabe, diese Strukturen zu schaffen?
Manuel: Das System zu bieten, dass so eine Art von Arbeit möglich ist. Ich nenne das digitales Leadershipsystem, das bauen wir bei Flash Hub auch auf, wenn es darum geht, Abläufe, Services und Dienstleistungen zu produktisieren oder zu systematisieren. Also das digitale Leadershipsystem gibt den Leuten, dem Team, quasi volle Transparenz über Ergebnisse und Fortschritt, Fokus auf die Ergebnisse und Zugang zu Support, als auch Zugang zu globalen Talents. Wir haben ein HR-Team, das sind auch Freelancer, die sourcen andere Freelancer, machen ein Assessment, sodass sich jeder in der Arbeit skalieren kann und sich virtuelle Assistenten, oder nenn sie wie du magst, dazu buchen kann, um den Workload zu kompensieren. Damit haben wir keine Engpässe mehr in Skills und Kapazitäten, können alle Arten von Arbeiten erledigen.
Christian: Ich habe ja auch Jahre lang mal in einem Konzern gearbeitet. Da ist ja viel passiert, was so Beziehungsaufbau angeht, ich drücke es mal positiv aus, wir haben viel Zeit investiert, Beziehungen aufzubauen. Negativ würde es vielleicht heißen, Seilschaften zu machen oder zu klüngeln. Brauchen deine Mitarbeiter und du noch Beziehungen zueinander?
Manuel: Wir brauchen eine Kultur und Werte, die bestimmtes Verhalten fördern, um bestimmte Situationen und Arbeiten zu erledigen. Wir brauchen nicht alle eine Beziehung untereinander. Wenn die Arbeit nur auf der Basis von persönlichen Beziehungen funktioniert, ist es genauso schlimm wie wenn das Knowhow nur im Unternehmen bleibt, wenn es in den Köpfen der Leute ist und die Leute Jahrzehnte bleiben. Es zeigt sich, dass Leute immer schneller kommen und gehen, weil sie mehr Abwechslung wollen und welche Gründe auch immer dahinterstehen. Aber wenn mit jedem Mitarbeiter mein Knowhow weggeht und persönliche Beziehungen kaputtgehen und ich die erst wieder aufbauen muss, damit die Arbeit zuverlässig funktioniert, kann man das nicht als Qualitätsstandard bezeichnen.
Michael: Du sagst gerade „Kultur und Werte“, da höre ich ganz aufmerksam zu. Immer ein klasse Thema natürlich. Die Frage, die ich dazu habe, Kultur und Werte sind ja Sachen, die sich über eine ziemlich lange Zeit so stetig aufbauen und dann eine gewisse Stärke haben und Veränderung von Kultur in einem Unternehmen ist aus meiner Sicht der Dinge immer so die Königsklasse von etwas, was ich bewegen könnte im Unternehmen. Wie empfindest du gerade die Welt, wie sich das Thema Kultur und Werte wandelt und welche Veränderung ist nötig, um uns anzupassen an diese neue Realität, die sogenannte, wo remote immer mehr zum Standardfall wird und jetzt auch im zweiten Jahr als Trend anhält. Was heißt das für Kultur und Werte ab hier und in der Zukunft?
Manuel: Ich glaube, dass viele merken, dass sie sich die ganze Zeit selbst vereumelt haben in dem sie gesagt haben „Arbeit kann nur im Büro funktionieren, wir müssen die ganze Zeit hier sein“. Das haben sie jetzt gesehen, dass das auch anders geht. Jetzt stellen viele Mitarbeiter fest, dass Arbeit auch anders funktionieren kann, dass ich überall arbeiten kann wenn ich will und vor allem dass ich auch mal einfach die Klappe vom Laptop zumachen kann und habe einfach meine Ruhe und keiner geht mir auf den Wecker, d. h. ich kann viel einfacher fokussiert arbeiten, wenn ich das dann zulasse. Das ist ein großer Vorteil von digitalem Arbeiten. Ich kann mir meine Fokuszeit nehmen und ich kann komplett über meinen Kalender gesteuert meine Zeit selbst managen, statt im Büro zu sitzen und die ganze Zeit bin ich Leuten ausgeliefert, die mich die ganze Zeit nur unterbrechen. Das ist ein Zugewinn, wenn man die eigene Disziplin aufbringt, die Tools, die wir alle schon haben, so zu nutzen. Ich glaube das wird so bleiben. Ich hoffe es zumindest, weil das gibt einem die Flexibilität, die der Markt ohnehin verlangt.
Michael: Jetzt ist ja eine andere spannende Dimension in der Zusammenarbeit mit Menschen neben Kultur und Werten das Thema Persönlichkeitstypen. Verschiedene Charaktere und wie die damit umgehen. Was ist deine Wahrnehmung der Welt, wie verschiedenartige Menschen momentan mit der remote Realität gut klarkommen oder noch nicht so gut?
Manuel: Wenn ich ganz ehrlich bin, ich habe damit nicht so viele Berührungspunkte mit anderen Menschen. Meine finden das klasse, aber die machen das auch schon immer so oder zumindest seit 2017, 2018. Es ist wie immer: Manche Menschen haben mit allem, was an Veränderung passiert, Probleme und dann gibt es Menschen, die sehen in allem eine Chance, die sehen auch darin eine Chance.
Michael: Wenn ich jetzt Diversität schätze? Auch von den Menschen, die vielleicht damit längere Zeit brauchen, um sich anzupassen und mitzufahren. Hast du da schon irgendwas beobachtet, was funktioniert um denen zu helfen, leichter mitzukommen oder lassen wir sie einfach zurück?
Manuel: Nein, wenn du Menschen oder deren Verhalten verändern willst, musst du denen ein „why“ geben und zwar nicht ein „why“, was für mich wichtig ist oder für das Unternehmen, sondern „was heißt das für dich?“, d. h. wenn ich heute sehe, dass Mitarbeiter jetzt eh schon remote arbeiten und ich gebe denen einen Grund, warum das für die gut ist und mit ihrem Interesse im Einklang ist, weil sie dadurch mehr Freiheit bekommen können, mehr Unabhängigkeit bekommen können, können Beruf und Familie besser in Einklang bringen etc., dann sehen die vielleicht auch den Sinn darin. Das ist ja genau das, was eine Führungskraft machen muss. Sie muss den Menschen ein „why“ geben und schauen, dass das, was das Unternehmen will, mit den Interessen der Mitarbeiter bestmöglich im Einklang steht, weil dann ziehen alle an einem Strang. Wenn eine Führungskraft das hinbekommt, glaube ich, dann funktioniert die Veränderung auch. Klar knistert und kracht es. Aber ich würde sagen, es ist möglich. Als ich das damals umgebaut hatte, hatte ich 43 Mitarbeiter, nach dem Umbau waren es noch 12. Ich wusste nicht so ganz, wie es geht. Jetzt weiß ich es.
Michael: „Why“ geben ist ja ein großes Thema, purpose und so. Bei dir scheint das ja mega zu laufen, wenn ich mir vorstelle 180 Leute und das ist ja total geil. Ich sehe es dir ja auch an und höre es dir an im Gespräch gerade, du strahlst das aus. Gibt es noch irgendwas an Challenges, was noch übrig ist für dich, wo du sagst „okay, die eine oder andere Nuss haben wir noch nicht geknackt“?
Manuel: Da gibt es viele. Wir sind die ganze Zeit dran, die Sachen, die wir haben, immer wieder in Frage zu stellen, sie zu verbessern, da verschlimmbessert man auch mal was und dann muss man wieder zurück und manchmal finden die Leute das ein bisschen viel an Dynamik. Das sind die täglichen Themen, den Leuten immer wieder ein „why“ zu geben, warum macht das gerade Sinn und wie ist das mit deinen Interessen im Einklang, was wir so jetzt tun. Da können wir bestimmt noch besser werden. Ich kenne die Welt vorher und ich kenne die Welt nachher und ich kann wirklich nur sagen „das hat mein komplettes Leben 1000 Prozent verbessert“. Ich kann auch mein initiales Unternehmen „Bright Solutions“ mit zwei Stunden am Tag führen, weil das durch meine Teams und Freelancer geführt wird in allen Bereichen. Ich bin letztendlich nur als Coach da für die Leute, die das Unternehmen betreiben.
Michael: Wie ist das für dich noch alles anders? Wenn du sagst, vor zwei drei Jahren ging bei dir die Reise los, wie hast du früher geführt als Chef und wie führst du heute? Was ist der Manuel 2021?
Manuel: Ich möchte nicht mehr der Manuel sein und mit dem zusammenarbeiten, der ich 2017 und davor war. Ich habe mir abgeschaut, wie andere ihr Unternehmen führen. Es war schön hierarchisch aufgebaut, ich war der Chef, ich habe irgendwann eine zweite Führungsebene eingebaut, damit ich denen sagen konnte, was sie den anderen sagten konnten, was sie machen sollen. Das war super langsam. Wenn ich von oben nach unten gesagt habe, was der machen soll und der hat eine Frage, dann ist es immer bis zu mir zurück eskaliert, weil alle gesagt haben „weiß ich nicht“. Das war einfach starr. Ich war der Flaschenhals für alles, ohne mich hat nichts funktioniert, alle Entscheidungen musste ich treffen, ich habe 14 bis keine Ahnung wie viele Stunden am Tag gearbeitet inklusive am Wochenende, weil ich in alles involviert war. Jeder war abhängig von mir. Es war sehr viel Stress und nicht gut.
Michael: Heute ist alles perfekt?
Manuel: Perfekt ist es nicht, aber es ist viel besser als es damals war und vor allem haben wir heute Probleme, die wir lösen können. Früher habe ich neue Entwickler gebraucht oder Projektmanager, das hat dann drei bis sechs Monate gedauert und oft war es ein Kompromiss, weil ich 100 km in meinem Büro eine ganz beschränkte Auswahl hatte und im Rhein-Main-Gebiet halt alle die guten Leute suchen. Heute sage ich „HR, ich brauche ein Projektmanager in zwei Wochen“ und dann habe ich einen Top-Projektmanager in zwei Wochen oder noch eine Alternative, wenn der doch nicht gut genug ist. Das ist einfach ein ganz anderes Arbeiten.
Michael: Krass, danke dir.
Christian: Manuel du hast ja jetzt erwähnt, das „why“, das Warum, der purpose im Unternehmen ist so wichtig und den Mitarbeiter das why zu geben. Wie machst du das? Wie schaffst du es, dieses why zu transportieren und wie schaffst du es den Mitarbeitern zu geben, sodass es auch bei ihnen ankommt?
Manuel: Also ich bin letztlich Unternehmer geworden, weil ich immer frei und selbstbestimmt arbeiten wollte. Ich wollte irgendwas bewegen. Das war mir wichtig. Ich wollte auch ein Team haben, das die gleichen Werte hat. Freiheit, Unabhängigkeit, Selbstbestimmtheit. Ich habe aber festgestellt, wenn ich einfach normale Mitarbeiter einstelle, dann tauschen die ihre Zeit gegen Geld, kommen in mein Unternehmen, machen ihren Job und gehen wieder. Das ist okay. Die verdienen mit dir Geld und machen irgendwie so ein bisschen ihren Job und ich muss sie aber treten, dass sie ihren Job machen und wenn ich es ihnen nicht sage, dann machen sie es auch nicht richtig und es war immer „ich gegen die Welt“. Meine Kunden hatte ich ja auch noch. Wenn ich denen heute sage, wir haben deshalb auch komplette Transparenz im Unternehmen, wir haben offene Gehälter, wir haben selbstbestimmte Gehälter und das funktioniert so, indem die Mitarbeiter auf Basis von KPIs und Ergebnissen sehen, wie sie denn gerade mit dem, was sie tun, an Wert zum Unternehmen beitragen. Ganz einfach gesagt: Jedes Team ist sowas wie ein Profit-Center. Ein Profit-Center verdient entweder Geld durch Umsätze mit den Kunden oder durch interne Verrechnung, durch Services an andere Teams. Wenn so ein Team profitabel ist, dann sind 15 Prozent von dem Umsatz für das Unternehmen, das ist unsere Rückstellung für den EBIT und den Rest bekommt komplett das Team. Jeder kennt auch die Gehälter und wenn so ein Team Rücklagen hat, weil sie lange profitabel waren, können sie ihre Gehälter erhöhen. Die einzige Regel ist: Es muss fair und wirtschaftlich sein und dann können die selbst entscheiden. Das ist im Einklang mit deren und meinen Interessen.
Christian: Das heißt das why ist Geld zu verdienen?
Manuel: Das why ist frei, unabhängig und selbstbestimmt zu sein. Ich zähle auch nicht, ob die acht Stunden arbeiten oder ob die von zu Hause oder im Büro arbeiten. Letztens hat mir eine Mitarbeiterin geschrieben „ich gehe jetzt sechs Monate nach Thailand“, ich so „cool, okay, hau rein“. Vor vier Jahren hätte die einen riesen Urlaubsantrag stellen müssen und dann hätten wir Ressourcenplanung und den ganzen Quatsch machen müssen, heute gibt es einfach nur die eine Frage „steht dein commitment zu deinen Zielen und KPIs noch?“ – „ja, klar“ – „okay, hau rein“. Dann kann sie machen, was sie will. Das ist für Mitarbeiter das Größte.
Michael: Mir fällt gerade was auf, wenn ich dir das eben spiegeln darf. Ich höre sehr oft so Sachen wie „die Freiheit nimmt zu, die Selbstbestimmtheit nimmt zu, die Ziele werden klarer definiert“ und was mir jetzt gerade bei dir und deiner Firma aufgefallen ist, du hast ja gesagt „meine Werte, warum ich das überhaupt anfangs gegründet habe, waren Freiheit, Unabhängigkeit und Selbstbestimmtheit“. Das ist natürlich eine mega geile Ausgangsposition, weil das ja genau die Faktoren sind, die gerade in dieser remote Arbeitswelt zum Zuge kommen und hilfreich sind, um in dieser Welt erfolgreich zu sein. Das finde ich bemerkenswert, dass das das why und der purpose ist. Jetzt wird mir langsam klar, warum das so geil bei dir läuft, weil du bist total purpose- und values-kombiniert mit deiner Firma und in einer Welt, die dahin verändert, wo das mehr gebraucht wird. Also sehr cool.
Christian: Es könnte gar nicht besser laufen, auch von den externen Bedingungen her.
Michael: Du hast so ein Grinsen im Gesicht.
Manuel: Falls ihr es nicht gesehen habt, ich habe einen TEDx-Talk, wenn ihr sucht nach Manuel Pistner TEDx, könnt ihr das Drama miterleben, wie ich mir quasi mein Unternehmen aufgebaut habe, was mir alle diese Werte genommen hat. Indem ich quasi im Hamsterrad war, 14 Stunden am Tag gearbeitet, ständig irgendwie in der Mitte aus Druck von Kunden und Druck von Mitarbeitern und wenig Alternativen. Das war definitiv nicht das, was ich wollte. Deswegen kann ich heute sagen „das geht auch anders“ und das möchte ich mit Flash Hub auch anderen Unternehmern ermöglichen.
Michael: Glückwunsch zur gelungenen Transformation, schöne Geschichte.
Manuel: Habe meine ganzen Haare verloren in der Zeit.
Christian: Du hast ja gesagt „das Office ist auch ein Tool“, was ja für dich überhaupt nicht passt. Vorhin hast du mir auch erzählt, ihr macht auch Video, asynchron, Messages. Welche Tools verwendest du denn jetzt und welche hast du ausprobiert und welche funktionieren und welche funktionieren überhaupt nicht?
Manuel: Ich habe schon so viele Tools ausprobiert und ich kann dir sagen, in einem Tool liegt weder das Problem, noch die Lösung. Es ist immer der use case. Ein Tool hilft dir dabei, die Dinge effizienter zu machen, aber wenn du den größten Quatsch effizient machst, machst du halt immer noch großen Quatsch, nur effizient, d. h. du brauchst erstmal dein use case und dann kannst du dir ein Tool aussuchen. Ein Tool, um Videocalls zu haben, benutze Teams oder Zoom, die erfüllen alle diesen use case. Um Videomessages aufzunehmen, Microsoft Stream mit Teams kombiniert oder Loom. Zum Chatten nutzen wir Slack. An Tools scheitert es definitiv nicht.
Christian: Also die Toolauswahl ist gar nicht so wichtig wie die Compliance, das Tool richtig und für den richtigen Zweck zu nutzen.
Manuel: Das ist wie wenn du eine Bohrmaschine hast. Wenn du damit ein Loch im Garten graben willst, funktioniert halt nicht. Trotzdem ist die Bohrmaschine nicht schlecht.
Christian: Ich könnte mir auch ins Knie bohren…
Manuel: Wenn du dir den use case gut ausgesucht hast, kannst du es machen. Da ist die Bohrmaschine gut für.
Michael: Manuel du wirkst auf mich wie ein sehr visionärer Typ, wahrscheinlich mit viel Intuition und einer Gabe, Trends erkennen zu können. Wie siehst du denn die Zukunft? Wenn wir mal zehn, 15 Jahre vorausspulen, wenn ich dich bitten darf, wie ist deine Vorstellung von der Utopie aus heutiger Sicht, die dann irgendwann kommen könnte. Wie wird die Welt denn mal werden, wenn es so weitergeht?
Manuel: Also wenn ich meinen Job so mache und es funktioniert, wie ich mir das vorstelle, dann wird Arbeit komplett digital. Sie wird komplett zielorientiert und sie wird komplett frei und unabhängig, sodass Mitarbeiter aus der ganzen Welt sich auf diesem Unternehmen, das dann so etwas wie eine Plattform ist, treffen können, um bestimmte Ergebnisse zu liefern. Und zwar so, dass es mit ihrem Leben in Einklang steht und mit ihren Interessen. Ich glaube, dass Unternehmen zu einer Plattform werden, die genau dabei helfen, Kunden und Mitarbeiter so zusammenzubringen, dass über bestimmte Qualitätsstandards, Prozesse und Tools das Ergebnis geliefert wird, was beide Seiten möchten.
Michael: Was hat das für einen Einfluss auf unser Leben? Auch die soziale Seite der Geschichte. Da werden Milliarden Menschen vielleicht in so einer Art und Weise arbeiten, wie ihr das jetzt schon mit 180 macht, wie wird sich das menschliche Leben dann anders gestalten?
Manuel: Es ist cool, du kannst einfach sein wo du willst, wann du willst und kannst arbeiten wann und wo du willst und du bist komplett frei, selbstbestimmt und unabhängig und kannst dir aussuchen mit wem du arbeiten willst, wann du arbeiten willst, für welches Geld zu arbeiten willst und ich glaube es gibt dadurch noch mehr Alternativen, weil es eben durch remote work jetzt möglich…67 Länder, da haben wir auch Leute aus wirklich armen Ländern und die kriegen ein top Gehalt, die sind dort der König. Das ist eine riesen Chance für die, ich glaube es kann allgemein dafür sorgen, dass eben Wohlstand noch ein bisschen fairer verteilt wird, weil in anderen Ländern dadurch Chancen entstehen. Da gibt es echt gute Leute. Das ist krass, wie viele gute Leute es auf diesem Planeten gibt und es ist nochmal krasser zu sehen, wie ich mich einfach 100 km um mein eigenes Büro beschränkt habe und keine guten Leute gefunden habe und habe immer gedacht „es gibt keine Alternative“.
Michael: Bin ja auch ein großer Fan von Fiverr, Upwork usw. und nutze das aus genau diesen Gründen auch sehr gerne. Jetzt höre ich andere Stimmen, wenn die uns zuhören, die schreien dann „Moment, was ist denn mit Arbeitsrecht und überhaupt mit Recht und was ist mit Mitarbeitersorgfalt, Sozialsystem, Pflege, Gewerkschaften, Arbeitsvertretungen“. Wie wird sich das denn entwickeln? Brauchen wir das überhaupt nicht mehr in der Zukunft?
Manuel: Warum gibt es denn Gewerkschaften? Weil die Interessen von Unternehmen mit denen der Mitarbeiter nicht im Einklang sind, aber die Unternehmer und Manager mehr Macht haben und die Mitarbeiter sich ausgenutzt fühlen. Deshalb gibt es Gewerkschaften, die versuchen das wieder in ein Gleichgewicht zu bringen. Wenn es aber Unternehmen gibt in denen alles transparent ist, in denen auch Interessenskonflikte transparent sind, die man dann halt lösen kann und dadurch dafür gesorgt wird, dass Interessen im Unternehmen im Einklang sind und alle wirklich an einem Strang ziehen, sowohl finanziell als auch von anderen Interessen, dann brauche ich es ja alles nicht mehr.
Michael: Wenn ich mir vorstelle ich stelle jemanden aus dem Kongo ein und der arbeitet für zwei Dollar für mich am Tag und lebt da wie ein König. Momentan sind die Lohnunterschiede ja gigantisch. Das heißt das wird sich angleichen und verbessern?
Manuel: Ja ich denke schon. Ich zahle keinem Mitarbeiter unter 15 Euro, egal wo der sitzt. Wenn ich einen Job habe, wo ich wirklich nur drei Euro bezahlen kann, dann soll ich mir überlegen, ob ich die Arbeit nicht einfach seinlasse, weil dann hat sie keine Werthaltigkeit. Wenn ich gute Leute habe, dann bezahle ich sie auch gut.
Michael: Hat die Politik überhaupt eine Chance in dem Spiel nachzukommen?
Manuel: GDPA haben sie uns einen schönen Brocken hingeworfen, wir gucken mal, was sonst noch so kommt. Es gibt auch immer Lösungen. Wo es Probleme gibt, gibt es Lösungen.
Michael: Bleibt noch spannend. Ey cool, ganz lieben Dank Manuel.
Christian: Vielen Dank Manuel. Zum Abschluss noch ein kleines Geschenk von meiner Seite, nämlich ein Zauberstab. Wenn ich den jetzt schwinge, kannst du eine Nachricht schicken an all die UnternehmerInnen da draußen, an alle die Führungskräfte und Leader und du kannst ihnen eine Nachricht senden und sie werden es alle hören. Was wäre deine eine Nachricht an diese Menschen?
Manuel: Die eine Nachricht ist: Wenn ihr euch einmal überlegen könntet, wenn ihr die Meetings, die ihr alle habt, alleine nur die Meetings aus eurem Kalender streicht, die für euch wirklich sinnlos sind und einfach die Frage stellt „wenn ich in diesem Meeting nicht teilnehme, was wollt ihr von mir dann als Input, damit ihr euren Job weiter machen könnt?“ und dann kalkuliert mal, wie viel Zeit ihr dadurch spart. Wenn ihr das gemacht habt, schaut mal, was ihr mit der Zeit sonst machen könnt, wie sich euer Leben verändert, wir ihr eure Firma besser entwickeln könnt, wie ihr wahrscheinlich ein besseres Leben habt mit wesentlich weniger Stress.
Michael: Entspannte Produktivität. Ganz herzlichen Dank Manuel.
Christian: Vielen Dank Manuel.
Manuel: Danke ebenso.