WOFÜR ENTSPANNT PRODUKTIVE-FÜHRUNG DIE WELT VERBESSERT
Christian: Hallo Marc.
Marc: Hallo Christian.
Christian: Hallo Michael.
Michael: Buongiorno Christiano und Tach Karl.
Christian: Ihr Zwei kennt euch schon länger, oder? Wie lange macht ihr schon remote Leadership zusammen?
Marc: Den Michael kenne ich aus dem Mathe-Leistungskurs in der Schule und da waren die Leadership-Rollen klar verteilt.
Michael: Ich hatte keine Ahnung und Marc wusste alles. Wir kennen uns seit wir 10 sind, glaube ich. Jetzt praktizieren wir remote-friendship seit ca. 30 Jahren.
Marc: Wir sehen uns immer in regelmäßigen Abständen, weil meine Eltern bei dir in der Nähe wohnen, Michael, und ich genieße es immer wieder zurückzukommen und ein persönliches Gespräch zu führen. Heutzutage ist dies ein echter Luxus. Meine Hoffnung ist, dass meine Eltern Ostern geimpft sind und wir uns dann häufiger sehen.
Michael: Das ist heute eine ganz besondere Runde, weil Christian und ich uns durch dich, Marc, kennengelernt haben. Wir sind uns noch uneinig, wann das genau war. Marc und ich kennen uns seit vermutlich 1980. Irgendwann, es hat ein bisschen gedauert, bist du, Christian, dazugestoßen, 1998 oder 1999 in Aachen, wo wir alle mal studiert haben. Vielleicht sind wir uns dort auch schon mal zu dritt begegnet, das werden wir wohl nie erfahren, bis jemand mal ein Foto findet. In dieser Dreierrunde sind wir uns dann erst wieder bei dir Marc auf dem Geburtstag über den Weg gelaufen, ca. 2012 oder 2010 in München. Ich weiß es nicht mehr genau.
Christian: Jetzt wohnen wir relativ nah beieinander, der Marc und ich, sodass wir am Sonntag sogar zusammen spazieren gehen konnten. Was ein großes Vergnügen.
Marc: Das ist wirklich eine unglaubliche Geschichte, wenn man daran zurückdenkt. Ich hatte Christian in Aachen im Studium kennengelernt, weil er am gleichen Physiklehrstuhl war wie ich, also ich bin auch ein Physiker, so ein Vogel wie der Christian auch. Dann haben wir uns Jahre später durch Zufall im Schwimmbad in Pullach getroffen und ich weiß noch wie gestern, dass Christian immer eine Brille trug und dann saß er dort im Whirlpool und hatte natürlich keine Brille an. Dann musste ich zweimal hinschauen und dachte mir „das ist doch der Christian“. Wann war das Christian? Das müsste so 2010 gewesen sein, als wir uns wiedersahen. Der größte Gau war dann, dass sich Michael und Christian unabhängig von mir in Berlin getroffen haben und beide gesagt haben „wir kennen den Marc“. Das war schon eine sehr lustige Geschichte.
Michael: Ja krass, und heute sitzen wir hier beisammen. Wir sollten noch eine Sache zu dir sagen, Marc. Ich bewundere dich ja immer, weil von allen meinen Freunden bist du der Rocket-Scientist. Einer, der was richtig Gescheites, was Tiefgehendes macht, wo ich immer noch keine Ahnung habe, wie das mit der Gentechnik, Analyse und Superhightech, Prozessoren funktioniert. Ich bin schon sehr gespannt, was wir gleich von dir noch alles hören. Ich hätte noch eine Frage vorne weg: Was ist nochmal dein purpose?
Michael: Marc. Mein purpose?
Michael: Ja.
Marc: Das ist eine sehr gute Frage. Bei mir ist es erst reingesickert vor ca. fünf Jahren, wo ich festgestellt habe, dass ich irgendetwas brauche. Ich habe zu dieser Zeit noch viel technisch gearbeitet. Ich war Programmierer, was ich auch immer noch sehr schätze. Aber ich habe dann nach etwas gesucht, was jenseits von dem rein Technischen ist. Mein purpose ist, versuchen Krebs zu heilen. Ich weiß, dass ich da u. U. nur einen sehr remoten Beitrag zu habe, den ich leisten kann, aber den versuche ich auszubauen und weiterzubilden, zu verstehen, wie die Mechanismen funktionieren. Ich bin davon überzeugt, dass Informationstechnologie der Schlüssel zum Erfolg sein wird. Deswegen arbeite ich in der sog. Präzisionsmedizin oder Hightech-Medizin, wie der Michael sagt. Ich versuche auf die Art und Weise einen Schritt weiterzukommen und habe dadurch sehr viele interessante Leute kennen gelernt, mit denen wir zusammenarbeiten. Viele meiner Mitarbeiter sind ähnlich committet wie ich, aber auch Kunden, von denen man auch merkt, dass sie hinter der Sache stehen. Im Moment ist es ein total gehyptes Thema und in aller Munde. Wir fühlen uns von der Öffentlichkeit etwas beobachtet. Sonst konnten wir immer in Ruhe arbeiten, aber jetzt wird man, egal wo man auftaucht, direkt gefragt „wie geht das jetzt weiter?“. Es ist die spannendste Zeit auf dem Feld, wo ich gerade arbeite.
Michael: Du hast eben sehr schön gesagt, dass du da remote einen kleinen Beitrag zu leistest. Das ist sehr schön die Überleitung zum Thema „remote-Leadership“. Galant gemacht und gar nicht abgesprochen. Der kleine remote Beitrag trägt evtl. dazu bei, die ganze Menschheit zu heilen. Coole Leistung mit dem kleinen remoten Beitrag.
Marc: So weit würde ich jetzt nicht gehen, aber ich denke schon, wenn man die jetzige Situation anschaut, dann ist Geschwindigkeit der Innovation schon ein entscheidender Faktor, um irgendwie vor den heros zu kommen. Eine ähnliche Entwicklung gibt es bei der Krebsforschung ebenfalls. Das nennt sich translationale Medizin. Man muss schauen, dass man die Forschungsergebnisse schneller an den Patienten bekommt. Da ist glaub ich das, was wir in der Firma, in der ich arbeite, machen, absolut key. Vieles läuft über Automatisierung und Streamline der Prozesse, um ein besseres Verständnis der Quality zu tun. Deswegen braucht man auch eine globale Organisation, um mal auf das Thema zu kommen, die erlaubt, dass man die besten Talente hat, die mitarbeiten.
Michael: Wenn du remote Leadership als Begriff hörst, diese zwei Worte, was geht in dir vor?
Marc: Guter Punkt. Zuerst einmal mache ich das schon sehr lange und es war sehr painful für mich. Seit ungefähr 15 Jahren leite ich eine Entwicklungsabteilung, mit der ich sehr eng zusammenarbeite hier in München. Die sitzen in Boston und ein Teil der Organisation, mit der ich zusammenarbeite, sitzt in Basel in der Schweiz. Für uns gibt es Thema schon sehr lange, dass wir versuchen müssen ein Team aufzubauen über die Region hinweg. Mit der gleichen Problematik sind unsere Kunden auch konfrontiert. Also die Pharmaindustrie, mit denen wir in der Hauptsache kooperieren, sind alle globale Organisationen, haben alle das Problem, dass sie große verbreitete Teams haben, die sie zusammenbringen müssen. Das war ein harter Weg sich selber dahinzubringen, das zu akzeptieren, dass dies unvermeidbar ist. Wenn ich mir die anderen Entwicklungsteams anschaue, die wir in unserer Firma haben, sind diese viel stärker konzentriert, sind an einem Ort, habe viel informelle Kommunikation, habe Probleme nicht, die wir haben. Das ist schon eine Sache, die eine kulturelle Geschichte ist, die langsam in die Köpfe der Mitarbeiter hier reinsacken muss, um sich dem hinzugeben und dies zu akzeptieren, dass dies so ist. Viele Sachen kann man einfach nicht machen, die man ansonsten vor Ort hätte, wenn alle Leute an einem Headquarter, an einem Entwicklungsstandort arbeiten. Das hat sich mittlerweile als Chance erwiesen, sodass wir das als eine unserer Stärken ansehen in unserer Business-Unit. Das hat auch viele Vorteile, weil wir viel informelle Kommunikation nicht direkt miteinander haben, sondern vieles sehr viel organisierter stattfindet, z. B. verschriftlichst du viele Dinge, peer-to-peer Kommunikation wird konsequenter eingesetzt. Wir waren schon immer sehr technikaffin. In der Anfangszeit der Firma betrieben wir illegal Chatclients neben den offiziellen Kommunikationskanälen, die nicht so gerne gesehen wurden, aber m. E. zwingend erforderlich sind, um so eine Kultur aufzubauen.
Michael: Vielleicht kannst du dein Team mal kurz beschreiben, wie viele Leute arbeiten in deinem Dunstkreis und wo sind die auf der Welt?
Marc: Unsere Firma hat momentan ca. 350 Mitarbeiter, die weltweit verteilt sind in allen Zeitzonen, von der Ostküste über die Westküste USA, England, Schweiz, Deutschland, Singapur, Tokio. Es sind unterschiedliche Disziplinen, die an den Standorten gemacht werden. Da wir halt global Kunden haben, müssen wir auch global Support haben. Meine Business-Unit ist deutlich kleiner, wir sind momentan ca. 50 Mitarbeiter, davon sind 30 in der Entwicklung, in der Softwareproduktion, im Research tätig. Die zentralen Standorte sind Boston, eine Entwicklungsgruppe mit dem Headquarter ist in der Schweiz und ein relativ großer Entwicklungsstandort hier in München. Ich leite auf der Entwicklungsseite hauptsächlich in Boston, Schweiz und Deutschland. Ich habe einen Partner, der für die Businessseite zuständig ist, der Tamasch. Für Leute, die mal in Japan gearbeitet haben, kann man das noch als einen Kulturkreis bezeichnen vom Mentalen her. Wir haben auch Kunden in Asien und Japan und dies ist kulturell schon anders. Auch in der Art und Weise wie dort kommuniziert wird, nicht nur von den Schriftzeichen her, sondern auch die insgesamte Menge von Kommunikation, die da betrieben wird, ist dort ungleich höher als bei uns. Es gibt eigentlich keine informelle Kommunikation. Alles ist immer auf cc und über E-Mail. Es gibt nur einen Channel. Das ist schon eine Erfahrung. Die größte Challenge ist m. E. die Integration von Entwicklungsteams. Also in dem Fall Softwareentwicklungsteams müssen sehr eng zusammenarbeiten. Idealerweise an einem Bildschirm. Das hat historisch gesehen schon relativ früh angefangen. Ich hatte einen sehr guten Freund, der im Entwicklungsstandort Schweiz gearbeitet hat und dann die USA Pendants gegründete. Wir hatten ein habit, dass wir immer gemeinsam programmiert haben. Gemeinsam am Bildschirm über Probleme nachdachten. Das ging dann in der Schweiz teilweise noch direkt, physikalisch. Über eine remote-Desktop-Anwendung haben wir das rüber gerettet. Die weiteren Mitarbeiter, die das gesehen haben, haben wir über die Jahre rüber gerettet, sodass das bereits in den Genen der Leute war, die angefangen haben.
Michael: Das ist ein cooles Bild. Ich habe auch mal programmiert vor langer Zeit und habe noch das Bild, dass ich alleine im Keller vor einem dunklen Licht saß und alleine vor mich her programmierte. Jetzt bekomme ich ein anderes Bild. Da sitzen echt Leute nebeneinander, Schulter an Schulter, gucken auf einen Bildschirm, reden über Kram und arbeiten wirklich zusammen. Wie macht ihr das denn jetzt, auch die anderen Leute im Team, um den coolen kollaborativen Style zu erhalten? Du hast gerade schon remote-Desktop gerade erwähnt. Was funktioniert da so geil und was möchtest du nie mehr missen?
Marc: Es ist so, dass wir gemeinsam an einem Projekt arbeiten, was relativ schwierig ist, wenn du so eine verteilte Organisation hast. Es wird elektronisch mit Versionskontrolle usw. gemacht. Aber der remote-Teil, der das Ganze treibt, sind die Meetings. Du musst schon gucken, dass du in gewisser Art und Weise einen Herzschlag etablierst, vom Treffen, insbesondere bei virtuellen Organisationen ist das viel wichtiger als das in Headquarter-Organisationen der Fall ist. Weil der Kontakt gehalten werden muss. Irgendwie muss ja die Verabredung getroffen werden, welche Leute wie zusammen kollaborieren. Dafür haben wir ein sehr effizientes Netz von Meetings aufgesetzt, die über die Woche gehen, teilweise daily-meetings, weekly 1-on-1s. Sogenannten triage-meetings, also wir müssen triagieren, nicht ganz so schlimm wie in den Krankenhäusern, aber auch Software muss triagiert werden. Diese Meetings sind der startingpoint, quasi für die remote-Kollaboration. Über die organisieren wir dann alle weiteren Dinge. Es wird festgelegt, wo wir requiren, dass Leute, und welche Leute, zusammenarbeiten.
Michael: Ach…
Marc: Und wie die arbeiten. Das wird teilweise von uns aus Sicherheitsgründen vorgeschrieben, weil es sicherheitsrelevant für die Software ist und dann wird requiret, dass da ein Vieraugenprinzip da ist. Es wird requiret, dass Code-review da ist. Es wird wirklich enforced, von der Managementseite, dass diese Kollaboration vorhanden ist. Wir haben festgestellt, dass es am Ende teurer ist, diese nicht zu haben als diese zu haben. Als du das Bild hattest, als du im Keller saßest, ist nicht immer alles Gülden was da rauskommt. Deswegen ist es manchmal günstiger bewusst die Entwicklungskosten zu verdoppeln, dafür aber hintenraus deutlich zu sparen, weil man ein besseres Design hat, eine wachtbarere Software hat usw. Das sind Aspekte, die in der Hauptsache etwas mit der Softwareproduktion zu tun haben. Der andere wichtige Aspekt ist die Inspiration. Das ist viel wichtiger noch. Dafür halten wir auch hoch, dass wir virtuell summits haben. In der Vergangenheit hatten wir das zweimal im Jahr global gemacht, dass die Leute sich getroffen haben. Das ist jetzt weggefallen. Meine Mitarbeiter sind schon langjährig bei uns, wir kennen uns alle persönlich in der Regel, bis auf paar neue Mitarbeiter, die wir eingestellt haben, die ich noch nicht persönlich kennen gelernt habe. Da ist immer ein bisschen Wehmut, dass man sich nicht wie früher mal sehen kann. Wir haben die Tradition beibehalten, dann auch mal out of the box zu denken. Wir machen schon explizit, dass die Leute für eine gewisse Zeit freigestellt werden, um sich mit Dingen beschäftigen zu können, die nicht unmittelbar etwas mit ihrer Arbeit zu tun haben. Auf diese Art und Weise kommt man nochmal ganz anders ins Gespräch. Diese Erfahrung habe ich gemacht.
Christian: Darf ich bei den Meetings nochmal einhaken, Marc? Das finde ich ein spannendes Thema. Auf der einen Seite „tot durch Meeting“ und ich habe gar keine Zeit mehr zu arbeiten, weil ich so viele Meetings habe. An der Seite muss man rausfinden, welche Meetings denn wichtig und wer muss mit wem regelmäßig sprechen. Wie schafft ihr die Balance zwischen dem Notwendigen und dem, was sinnvoll ist?
Marc: Super Punkt. Die Coronakrise ist echt ein Schlüssel gewesen. Bei mir war es so, dass ich anfangs leicht Panik hatte. Man fällt zurück in die „german-Angst“, man bekommt primär mit sich selber ein Kontrollproblem. Es traf vor allem das Management. Die Mitarbeiter, Entwickler und Wissenschaftler sind eher in sich ruhend und haben nicht die großen Kontaktnetzwerke. Für das Management kann es sehr schnell ein Problem werden, wenn man nur auf Zahlen guckt, z. B. nur auf die KPI’s, wie ist der Output vom Team, etc. Das haben wir gut unter Kontrolle. Man muss aufpassen, dass man sich davon nicht verrückt machen lässt und in die Falle tappt. Eines der größten Learnings, die ich hatte, als wir sahen, dass das Team einen gewissen struggle hatte im ersten halben Jahr der Coronakrise, war, dass man sich an die neuen Gegebenheiten gewöhnt. In den USA und Schweiz sind „work from home“ Vorschrift, in Deutschland ebenfalls. Zunächst hat man eine Delle in der Kommunikation. Man hat das Gefühl, dass man mit allen reden muss. Deswegen sind Meetingstrukturen super wichtig, insbesondere für Manager, damit man nicht in dem totalen Informationsgau untergeht. Da kann ich nur sagen, was mir sehr geholfen hat, war, dass man schaut, dass man ein bisschen mehr als sonst Hierarchie hat und schaut, dass man ganz klare standing-relations aufbaut. Einer der größten Vorteile einer remote-Organisation ist, auch weil wir das Glück hatten, mit anderen remote-Organisationen zusammenarbeiten konnten, dass man die quasi fast auf einem Reißbrett entwerfen kann. Du hast die Möglichkeit zu sagen, derjenige trifft sich jetzt one on one mit einer anderen Person auf dem und dem Kontext. Das ist viel leichter möglich, wenn die Leute physikalisch separiert sind, weil die sich gar nicht mehr so viel über den Weg laufen, bspw. an der Kaffeemaschine. So eine Beziehung aufzubauen, dauert eine Zeit. Wir hatten schon einen relativ kollaborativ getriebenen Arbeitsstil, aber den habe ich dann deutlich formalisiert und dafür gesorgt, dass die Leute besser hierarchisch strukturiert sind. Ich habe mir den meetings-schedule aller Leute angeschaut und geguckt, wer trifft sich mit wem wie häufig und worüber reden die und was machen die. Das müssen wir zwar auch aus regulatorischer Sicht haben, aber das hat auch sehr geholfen, den „Hühnerhaufeneffekt“ sehr stark runterzukochen.
Christian: Du sagtest eben, dass ihr auch viel mit anderen remote-Organisationen zusammenarbeitet, d.h. ihr habt ja nicht nur meetings in eurer company, sondern ihr habt ja auch Kunden. Wie sind die denn unterschiedlich und was habt ihr über remote-Arbeit gelernt?
Marc: Da hatte ich das große Glück, dass wir einen sehr bekannten Kunden am Anfang der Pandemie bekommen haben. Da war Corona noch gar nicht im scope. Die benötigen unsere Software um klinische Studien zu organisieren und die Datensicherheit herzustellen. Das ist eine virtuell-born-company, also eine Firma, die gibt es nur virtuell, die hat nie einen Campus besessen oder ein Hauptgebäude. Noch nicht zumindest, aktuell bauen sie eins in Cambridge. Die sind von den Genen und der Kultur her total anders als eine normale klassische Pharmacompany, mit der wir normalerweise arbeiten. Der ganze Habitus von wer hat Rapport an wen, wer redet in dem Meeting wie. Das ist alles anders. Auf eine sehr sympathische Art und Weise. Das ist für sales nicht einfach, weil es relativ schwer rauszukriegen ist, wer jetzt eigentlich der Plocker und wer der key-opinion-leader. Es hat nicht nur Vorteile. Wenn man mit denen im operationalen Geschäft ist, hat man eine sehr angenehme Atmosphäre und die sind unglaublich viel schneller als normale Organisationen. Wir haben ein Projekt mit denen gemacht, wo man eigentlich sagen würde, es dauert ein halbes bis ein dreiviertel Jahr. Die Ausführungsgeschwindigkeit war zwei Monate. Die hatten Support einer anderen bigtech-company aus den USA, auch Firmen, die normalerweise nie kollaborieren würden, also competitor. Sie arbeiten in einem virtuellen Unternehmen zusammen, totale Transparenz. So eine Transparenz habe ich auf physikalischem Weg noch nie kennengelernt, z. B. normalerweise gehst du mit jemanden, wenn man an einem Projekt zusammenarbeitet, geht man on-side. Das ist virtuell viel besser gegangen, weil wir auch da eine Kadenz hatten, dass wir uns quasi dreimal pro Woche getroffen haben, jeder hat reportet wo er steht, im agilen Modus. Diese Organisationen haben wenig Ballast. Alles, was unter dem Expertenlevel ist, wird in der Regel einlizensiert, es ist temporär nur dabei. Die kommen nur stundenweise in das Meeting dazu, sie machen alles on demand. Für uns im sales ist es oftmals ein Problem, weil wir nicht sehen können, wohin die gehen, weil die sehr schnell ihre Richtung ändern.
Christian: Danke Marc.
Michael: Ich habe das Bild mitgenommen, dass da einmal die verteilte Organisation von euch ist, von Genedata. Dein Wirkungskern ist Schweiz, München und Boston und dann ist noch die ganze Welt drumherum beteiligt. Ich frage mich, ob du überhaupt noch schläfst oder in allen Zeitzonen wach sein musst. Die eigentliche Frage ist, da trifft die eine verteilte remote Organisation auf eine andere Organisation, die du gerade beschrieben hast, also auf eine virtuelle Firma, die gar nicht physisch existiert, zumindest die Firma nicht, die Menschen natürlich schon. Und jetzt arbeitet eine extrem virtuelle mega remote Firma mit auch so einer stark verteilten Firma zusammen, was sind die Tools zur Kommunikation und Kollaboration, denen du begegnet bist und die gut funktionieren? Welchen Tech-Katalog an Werkzeugen muss ich auf meinem Rechner installieren, um das Tempo mitmachen zu können?
Marc: Den Firmen gehören diese Tools. In der Regel Microsoft Tools und als Plattform, auf der wir die Services liefern, sind Amazon-Tools, die auch beteiligt sind und ihre Tools nehmen. Interessant war, dass es schon einen kleinen Krieg gibt. Die Amazon-Meetings werden natürlich mit den Amazon-Tools gehostet und die Microsoft-Meetings mit Teams. Diese Firmen würden normalerweise nicht miteinander kollaborieren, weil sie sehr starke competitor sind, gerade in dem Bereich, wo wir arbeiten. Es war schön zu sehen, wie sie sich angeglichen und untergeordnet haben. Sie haben dann alle in Atlassian tools gearbeitet, sozusagen als greenground, demilitarisierte Zone. Das läuft dann alles virtuell, keiner hatte was installiert, sondern das ist mit Atlassian direkt gekommen. Das war der Dreh- und Angelpunkt. Es ist unglaublich zu sehen, wie offen diese Firmen für competitor-Produkte sind. Es ist schon so, dass die Microsoft-Leute dann auch Apple-Computer hatten. Das tritt in den Hintergrund, denn am Ende hatten wir auch die Cloud-Lösung fusioniert. Das Wichtigste ist, dass die beste Idee gewinnt. Das war die Rolle der Genedata, das Ganze zu medisieren und zu gucken, ob es sinnvoll ist und nicht zu teuer wird oder zu lange dauert. Durch Covid hatten wir einen sehr starken Zeitdruck, was hilfreich in der Kommunikation war.
Michael: Ich habe noch eine Frage in Richtung Kultur. Im Rheinland haben wir den Spruch „Jeder Jeck ist anders“. Also Menschen sind sehr verschieden und haben verschiedene Präferenzen. Und auf einmal sind wir im Homeoffice, haben eine Kamera und dürfen auf Zoom, Teams oder bluejeans uns per Video treffen. Wir sind alle per Slack oder WhatsApp oder per Workspace o. ä. mit instant messenger erreichbar und bekommen unsere Multiplications auf dem Handy. Was ist deine Beobachtung, wie die verschiedenen Menschen damit umgehen und was ist zum Thema Verhaltungsflexibilität? Wie gehen da alle miteinander um, um das zu berücksichtigen und für alle kompatibel zu gestalten? Im letzten Jahr war die Veränderung bei euch auch einigermaßen groß. Kommen da alle mit? Und wie gehen die, die schneller zurechtkommen mit den Leuten um, die gerne mehr Zeit hätten.
Marc: Es gibt bei uns schon Mitarbeiter, die es nicht so toll finden jeden Tag ihr Gesicht stundenlang in die Kamera zu halten. Da bin ich jedoch relativ kompromisslos. Ich hab gesagt „face up, dress up“. Das wird gefordert, auch weil wir Kundengespräche haben. Das ist super wichtig, jeden Kommunikationskanal zu nehmen, den man zur Verfügung hat. Bei Kundengesprächen kann man noch darüber streiten, weil man nicht so sehr exposen will. Aber in der internen Kommunikation ist es absolute Pflicht. Ich habe zuerst alle Mitarbeiter mit Kameras ausgestattet und dafür gesorgt, dass es technisch funktioniert. Wir hatten glücklicherweise schon eine Chatkultur etabliert über die Jahre. Wir hatten schon ein gutes Handling darüber, was man über den Chat macht und was über E-Mail verschriftlicht. Der größte Teil der informellen Kommunikation findet im Chatclient statt und ist unabhängig von der Distanz. Das hat riesen Vorteile. Eine verteilte Organisation ist plötzlich eine globale Organisation, weil es keine Rolle mehr spielt, ob ich mit der Dame in München kommuniziere, die 5 km physikalisch von mir weg ist, oder mit jemandem in Boston, der 5.000 km entfernt ist. Es ist die gleiche Kommunikation. Es hilft im Team total einen local village herzustellen. Wenn das Medium normiert ist, also alle haben diesen Chatclient und abgesichert. Man hat auch die Möglichkeit Kaffeeräume o. ä. einzurichten, die mehr eine informelle Kommunikation erlauben. Aber was normalerweise über E-Mail abzuwickeln wäre, geht im Chat zehnmal schneller und ist auch zielgerichteter.
Michael: Es ist also ein großer Gleichmacher, level playing field. Es ist das erste Mal eine Situation erreicht, wo alle mit gleichen Rechten und gleichen Aussichten und Möglichkeiten miteinander kommunizieren. Also auch viel fairer und gerechter als früher.
Marc: Eine Demokratisierung der Kommunikation kann man sagen.
Christian: Vielen Dank, Marc. Eine Abschlussfrage noch: Du hast Einblick in die Entwicklung von Medikation, in die Covid-Situation, lohnt es sich jetzt noch ein Unternehmen aufzubauen, was remote stattfindet? Oder ist das bald wieder Vergangenheit?
Marc: Absolut! Meines Erachtens werden Unternehmen, die die Virtualisierung ablehnen, in den nächsten fünf Jahren massive Probleme bekommen, in der Hauptsache im recruiting. Gerade ein Hightech-Unternehmen wie wir, haben den Zwang, die besten Talente zu finden. Die sind nicht an einen Ort gebunden. Wenn man das Wachstum und die Innovation hochhalten will, dann wird man nicht drumherum kommen, die Organisation zu virtualisieren. Ich habe bei unseren Kunden gesehen, was das für einen Innovationsboost gibt, wenn man das macht. Die Challenge wird sein, die Kultur zu etablieren. Wie aligned man sich mit den Werten, wie onboarded man Leute virtuell. Das sind für uns auch noch ungelöste Fragen. Ich habe Leute eingestellt, die habe ich einen Monat gesehen, seitdem sind sie virtuell. Es ist unglaublich schwierig denen zu vermitteln, wie eigentlich der rheinische Geist ist. Ich habe z. B. jemanden relocated in die Schweiz zurück und wir haben uns dediziert dann getroffen. Draußen natürlich unter Einhaltung der Hygienemaßnahmen, aber wir hatten quasi ein physikalisches Treffen. Das ist super wichtig. Ich würde mich freuen, wenn wir Kunden, die wir sonst nur virtuell treffen, auch mal „lebend“ zu sehen. Jeder will natürlich in Kontakt treten. Aber wenn es um die Organisation geht, wenn ich eine Firma gründen will, würde ich sehr stark darauf fokussieren diese Probleme technisch in den Griff zu bekommen. Diese Firmen werden alle lokal basierten Headquarterfirmen outperformen. Wir sehen das bei unseren Kunden, die sind eh alle global aufgestellt. Sie haben nicht einen Standort von einer Pharmafirma, die haben mindestens drei oder vier. Die versuchen schon durch ihre Elektronik ihre Values und Unterhaltung zu harmonisieren, um einen Push zu machen für ihre Organisation.
Christian: Vielen Dank Marc für die Einblicke.
Marc: Es war mir ein Vergnügen.
Christian: Bis demnächst.
Marc: Vielen Dank Michael und Christian.