CHIEF OF ANYTHING

CHIEF OF ANYTHING

WOFÜR ENTSPANNT PRODUKTIVE-FÜHRUNG DIE WELT VERBESSERT

Transkript

Zurück zur Episode

Heute zum Thema „wie ich ein Unternehmen führen kann mit drei Kreisen und einem Herz“.

Christian: Hallo Michael.

Michael: Hallo Christian.

Christian: Sag mal, wie machst du das eigentlich ein Unternehmen zu führen?

Michael: Das ist eine ganz großartige Frage. Darf ich da eine Geschichte zu erzählen?

Christian: Ich bitte darum.

Michael: Ich war mal in der ganz tollen Situation, dass ich für einen Konzern eine Firma starten, aufbauen durfte. Ich wurde damals dahingeschickt nach Katar, in den mittleren Osten, witzige Geschichte, aber ein anderes Mal mehr dazu, kam dann da an mit einem kleinen Team, wir waren zu viert am Anfang, sind dann relativ schnell auf 20 Leute gewachsen und fingen da an zu machen und diese Firma aufzubauen. Irgendwie hatte ich ein ganz komisches Gefühl, dass wir nicht so wirklich einen gescheiten Plan hatten, was wir da machen.

Christian: Ihr hattet operative Hektik?

Michael: Ja volle Kanne. Wir waren nur am Machen. Da habe ich dieses Bild gelernt, ein schöner Spruch im Englisch „a headless chicken“, also rumlaufen wie Hühner ohne Kopf. Ist eigentlich eine ziemlich brutale Vorstellung.

Christian: Mein Vater hatte immer den schönen Spruch gehabt „Operative Hektik ersetzt geistige Windstille“.

Michael: Ja, so war es. Das fiel mir immer mehr auf und wir hatten damals noch keinen CEO. Es war auch noch nicht ganz geklärt, welche Rolle ich spielen würde, ich wusste nur ich bin im Top-Team und sollte da eine kommerzielle Verantwortung übernehmen und dann waren wir da dran und hatten irrsinnigen Zeitdruck das Ding aufzubauen und zu launchen. Dann kam dieser Moment, den werde ich nie vergessen, da hieß es irgendwann „wir haben einen CEO gefunden, der kommt jetzt und der erste Workshop ist dann nächste Woche“. Dann fand dieser Workshop statt in einem riesen Meetingraum vom Sheraton Hotel, war schon schön, tolle Aussicht auf den Persischen Golf, dann steht dieser Typ da vorne, Graham, ist leider viel zu früh verstorben und malt drei Kreise auf einen Flipchart, einer oben, zwei unten und daneben ein Herz und malte dann noch eine Linie von dem untersten Punkt des Herzens in die Schnittmenge der drei Kreise und sagt „this is how we gonna run this company“.

Christian: Da war erstmal Stille.

Michael: Der ganze Raum guckt. Ich habe zum Himmel geguckt und habe gedacht „lieber Gott, vielen Dank, dass du uns diesen Typen hier geschickt hast, ich glaube, der weiß was er hier vorhat und wie man eine Firma führt“. Dann hat er diese drei Kreise und das Herz aufgemalt, hat über das Herz geschrieben „purpose“ und hat gesagt „purpose is why we do what we do beyond making money“.

Christian: Da haben wir schon einen Podcast zu gemacht.

Michael: Genau, haben wir schon mal drüber gesprochen. In den obersten Kreis schreibt er groß drüber „Vision“ oder „BHAG“, big, hairy, audacious goal und schreibt das Wort „where“ dahin, „this is where we will get in five years“ und irgendwie in den Kreis der links unten ist, schreibt er drüber „values“ und schreibt in klein darunter „this is how we will behave“ und in den dritten Kreis, rechts unten, schreibt er drüber „strategies“, „this is what we will do in the next 12 months“. Und schreibt dann an „purpose“ so ein Unendlich-Zeichen, „das wird immer unser purpose sein“. An Vision schreibt er dran „das ist unsere 5-Jahresvision“. Das war dann damals die Version für 2013, 2008 haben wir das gemacht. Vision 2013. An die values schreibt er auch so ein Unendlich-Zeichen dran und sagt „das werden immer unsere Werte sein, die sind in unserer DNA“ und an den Strategien schreibt er halt dran „2009“, also in den nächsten 12 Monaten, das sind die konkreten Aktionen. Und schreibt dann oben drüber „this is my model, my framework, my believe“ und dann dazu diesen Spruch „this is how we are going to run this company“.

Christian: Das heißt da gab es gar keine Wahl mehr?

Michael: Nein, das war sein Modell und dann war gut. Dann hat er als CEO natürlich auch gewisses Recht, da eine Vorgabe zu machen, aus meiner Sicht hatten wir da ein komplettes Vakuum für so Führungsthemen, das kam genau zur richtigen Zeit.

Christian: Jetzt ist es ja tatsächlich keine Raketenwissenschaft, sondern es sind ja, was man auch schon lernt beim Notruf, die W-Fragen. Wofür, wohin, wie und was. Wer, die halt da sind.

Michael: Die großen Fragen des Lebens.

Christian: Ja. Das sind die großen Fragen, die beantwortet werden. Es ist ja plakativ. Konnte dann nach einiger Zeit jeder im Unternehmen das aufsagen oder wie hat er das tatsächlich ins Unternehmen reingebracht?

Michael: Das war schon mal ein schöner Start. Da haben einige von uns dann noch gedacht „ist ja schön, irgend so ein Modell und dann gibt es da nachher ein PowerPoint davon und vielleicht eine Broschüre…“

Christian: „Die drucken wir aus uns lassen sie im Schreibtisch verschwinden“

Michael: Genau oder hängen es an die Wand und machen ein tolles Bild irgendwie. Was dann folgte, war als erstes Mal ein Prozess, der hat sieben, acht Monate gedauert, indem wir purpose, vision, values und strategies definiert haben. Was am längsten gedauert hat, waren die values. Wir waren damals ein Leadership-Team von acht Personen. Die Firma wurde natürlich in der Zeit parallel dazu aufgebaut und es ging volle Kanne weiter. Wir sind dann sehr schnell auf 80, 100 Leute gewachsen im ersten Jahr und hatten dann endlich dieses Modell fertig und hatten auch die Mitarbeiter alle darin einbezogen, wobei Graham von Anfang an klargemacht hat, dass es keine demokratische Veranstaltung ist, wir holen Input von allen und wir nehmen auch alle mit, aber es ist unsere Verantwortung hier auch im Sinne der Anteilseigner der Firma, unserer shareholder, festzulegen, was die DNA unserer Firma ist und dann ist hier unsere Führungsaufgabe. Wenn wir das dann mal festgelegt haben mit Input von allen, haben wir auch immer schön gemacht, viele Workshops und das eingeholt, was jeder zum Thema purpose, vision, values und den strategies dachte und haben dann nach sieben, acht Monaten das erste Mal einen all-hands-Tag gemacht, wo alle Hände, alle Mitarbeiter zusammen waren, so ein komplettes Meeting und haben uns dann einen Tag dafür freigenommen und dann haben wir als Führungsteam diesen Plan am Morgen präsentiert. Es lief ab wie eine Show im positiven Sinne von „es war ganz klar, wer von uns Achten was sagt“ und dass wir das sehr auf den Punkt machen und nur die Worte in unserem Plan selber sprechen lassen ohne viel dazu zu erklären. Danach kam ein Prozess, indem alle 80 Leute, die da im Raum saßen, den Rest des Tages dafür Zeit hatten, das alle zu durchdringen. Wir hatten halt Coaches, die uns unterstützt haben und haben dann Gruppenarbeit gemacht und jede von den einzelnen Komponenten tischweise mit gemischten Gruppen durchgearbeitet und am Nachmittag durften die einzelnen Teams losziehen und basierend auf diesem Masterplan dann ihren Plan machen für ihre jeweilige Abteilung und sich mit allen anderen Abteilungen dazu austauschen.

Christian: Woran durften die noch arbeiten, an den strategies? Was jetzt im nächsten Jahr passiert, also values, purpose und vision war vorgegeben? Da gab es auch keine Diskussion mehr?

Michael: Nein, das war auch an einem Punkt, wo es keine Diskussionen mehr gegeben hätte, weil wir halt so viel Input auch geholt hatten, als sich auch beteiligt fühlten und auch Input gegeben hatten, der sehr wertvoll war. Der Zweck dieses Tages war „to communicate, clarify and align“, zum Kommunizieren des Modells „this is how we are gonna run this company“ um Fragen zu klären, die vielleicht entstehen, wenn vielleicht irgendetwas nicht ganz klar bisher ist und halt um alle auszurichten, auf diesen Plan und das eine Ziel, diese Vision, die da drin steht und dann in diese eine Richtung dann gemeinsam volle Kanne loszulaufen. Wir hatten glaube ich vier oder fünf Top-Strategien, da war es dann schon klar, was die großen Sachen sind, die wir in den ersten 6-12 Monaten liefern müssen, damit die Firma wirklich gut voran kommt, was wir nicht vorgegeben haben, war, ist dass das dann jede einzelne Abteilung macht oder sogar jeder Mitarbeiter, das durften dann die Teams selber definieren. Wir haben nur gesagt so als Firma müssen wir dieses Jahr 1, 2, 3, 4, 5 erreichen und dann gesagt „jetzt macht ihr mal den Plan, was dann passieren muss“. Da war noch ein tolles Modell, was ich da gelernt habe und zwar nennt sich das „stop, start, continue“. In der strategischen Planung auch zu überlegen, ganz wichtig, womit hören wir denn auf? Wann müssen wir eigentlich stoppen? Da hatte ich bis dato nicht drüber nachgedacht, können wir das machen, können wir das machen, können wir das machen, auf einmal sind ganz viele Sachen, die sich eigentlich alle gar nicht in dem Zeitrahmen machen lassen. Deswegen haben wir immer zuerst gefragt „was hören wir auf zu machen, was machen wir weiter, weil es funktioniert und in die richtige Richtung geht“ und dann kam als letztes die Frage „was müssen wir jetzt anfangen, was wir bisher noch nicht machen, damit wir unser Ziel erreichen“.

Christian: Wenn ich jetzt wieder das Beispiel, was wir bei der Vision hatten, mit auf den Mount Everest zu steigen, das heißt ich mache ja dann Schritte in die richtige Richtung und ich lasse Sachen weg, die ich vielleicht nicht machen müsste oder so. Im Basislager Eins noch Regenschirme verkaufen, weil es eine gute Idee ist und gerade regnet. Würde man dann sagen „lasse ich vielleicht weg“.

Michael: Vielleicht habe ich schon Sachen mitgebracht, Werkzeuge mir überlegt oder irgendwelche Taktiken, um jetzt auf den Everest zu steigen, wo ich dann in diesem Planungsstand irgendwann entscheiden darf „ah okay, ne war vielleicht damals eine gute Idee, aber jetzt nicht und jetzt lassen wir das“. Also das schleppen wir jetzt nicht mit hoch. Vielleicht habe ich irgendwas zum Basecamp mitgebracht, wo ich dann die Entscheidung treffe „ne das nehme ich jetzt doch nicht mit, weil es mir Ressourcen und Sauerstoff klaut“.

Christian: Als ihr diesen Prozess gemacht habt, wart ihr ja schon 2, 3 Jahre in den operations drin, wie ich das verstanden habe, also das Unternehmen lief schon eine Zeit lang bis der CEO kam.

Michael: Ne das war nach zwei Monaten. Das war das große Glück. Das habe ich auch nur einmal im Leben so erlebt und dass jemand in so einer Führungsrolle mit so einer Klarheit, für mich war das ein Geschenk des Himmels, ich habe da so viel draus gelernt und ich war dann vier Jahre noch dabei und habe das in den vier Jahren miterlebt, wie wir dieses Modell, „we used this model to run this company all the time“. Die Konsistenz, die ich da erlebt habe, die ist mir auch manchmal auf den Keks gegangen. „Können wir nicht mal was anderes machen, was Neues ausprobieren“ – „nein, wir halten Kurs, das ist unser Plan, this is how we are gonna run this company, if you don’t like it, you can leave“.

Christian: Wie hat er denn die Konsistenz hingekriegt?

Michael: Repeat, repeat, repeat. Da habe ich den Begriff gelernt „Chief Repeating Officer“, ein CRO und der Ausdruck war damals „wie eine zerkratzte Schallplatte“. Das war seine Analogie, er war schon ein bisschen älter und ich habe es noch kapiert, was er meinte, Schallplatten habe ich so gerade noch mitgekriegt und da war dann klar „okay, ich muss hier dauernd dasselbe sagen“ und wir haben das wiederholt, wiederholt, wiederholt in allen Formen und haben auch die Leute animiert, es zu wiederholen und auch zu durchdenken, zu durchdringen und da habe ich dann erlebt, was das für einen riesen Unterschied ist zwischen „Strategie machen, wo sich ein paar kluge Leute hinsetzen und sich das in ihren Köpfen überlegen“, das ist fünf Prozent der Arbeit und dadurch habe ich erst gelernt, das 95 % der Arbeit ist, wie ich dieses Zeug in die ganzen Köpfe und die Herzen der Menschen bekomme, die dann die Strategien umsetzen.

Christian: Wie hat er das denn konkret gemacht? Hat er das in jedem Meeting wiederholt oder hat er extra Meetings zum Wiederholen eingesetzt oder kamen da Newsletter? Wie war die konkrete Wiederholung?

Michael: Das Thema „Rhythmus“ war bei uns auch ein großes Thema. Diese all-staff-all-hands-Meetings, die haben wir vierteljährlich gemacht. Einmal im Jahr am ganzen Tag und die anderen Quartale immer nur einen halben Tag. Und haben immer wiederholt, worum es geht, was der große Plan ist und das reviewed. Genauso in allen Meetings, ob das jetzt unser Top-Teammeeting war, also das Top-Team oder die Teammeetings, also purpose, vision, values wurde immer wieder rausgekramt und immer wieder wurde gefragt „okay, das was wir jetzt hier machen wollen, hilft das uns, unseren purpose zu leben und hilft das uns, diese große Vision zu erreichen und ist das im Einklang mit unseren Werten eigentlich?“. Das war eine omnipräsente Diskussion. Das hatte manchmal schon ein bisschen was Religiöses. Dieser Wertekanon schwang in allem mit. In jedem Meeting, in jedem Gespräch und jeder hatte das drin. Wir waren nachher 400 Leute. Du konntest jeden fragen „was ist hier purpose, vision, value“ und die kannten das alle, die brauchten das nicht ablesen. Da waren Leute bei, die konnten die values im Detail auswendig aufsagen und nicht weil wir jetzt irgendwie gezwungen hatten das auswendig lernen zu müssen, sondern weil die das geil gefunden hatten, sich damit identifizierten und weil die ganzen Prozesse im Unternehmen das dauernd förderten, diese Sachen zu reflektieren. Jahresgespräche. Mitarbeiterreviews. Feedbackgespräche. Einstellungsgespräche. Es wurde auf alles geguckt „passt das zu purpose, vision, values“. Die Strategien kamen immer hintendran. Bemerkenswerterweise, wenn man purpose, vision, values gut definiert hat, dann ist das Festlegen der Jahresstrategie total easy. Unglaublich.

Christian: Wart ihr denn erfolgreich damit?

Michael: Ja. Unsere vision hatten wir damals definiert als, dass wir innerhalb von drei Jahren die Nummer 1 Marke, die bekannteste und beliebteste Marke im ganzen Land werden. Das kann man messen mit nps-scores und mit Markenbekanntheit-scores, das haben wir erreicht. Alle haben von uns gesprochen, wir waren die Referenz für alles „ah, so wie die das gemacht haben, wollen wir das auch machen“. Und unser purpose war „to make a world of difference for all people in Qatar“ und das wurde uns an allen Ecken bescheinigt, dass wir wirklich da einen Unterschied machen und das wir für alle da sind, so ein demokratisches Gefühl, also auch die armen Arbeiter aus der untersten Schicht, die aus vielen fernen Teilen der Welt kamen, genauso wie die Superreichen Kataris aus dem Land selber. Das war ein Riesenerfolg, wir sind an die Börse gegangen mit einer Milliardenbewertung und haben innerhalb von vier Jahren einen Umsatz von 500 Millionen Dollar erreicht. Da spielten noch viele andere Sachen eine Rolle, dass das alles so passieren konnte. Ich würde jetzt nicht sagen „nur weil wir dieses Modell benutzt haben, hatten wir den Erfolg“. Wir haben in vielerlei Hinsicht Glück gehabt und waren zur richtigen Zeit am richtigen Ort und dass in dieser Klarheit und in dem Tempo so auf den Punkt zu erreichen, das hat sich schon bemerkenswert angefühlt. Selbst zu der Zeit, als es passiert ist.

Christian: Klasse, vielen Dank Michael.

Michael: Ja gerne.

Über diesen Podcast

CHIEF OF ANYTHING ist der Podcast und das Buch für mich. Zusammen mit anderen Menschen will ich entspannt UND produktiv sein, und ich bin dafür bereit mutig und mit Herz Führung zu übernehmen - im Business und im Leben.

CHIEF OF ANYTHING gibt es als Podcast, Buch und Seminar bei der CoA Academy - von und mit Christian Kohlhof und Michael Portz.

von und mit Michael Portz, Christian Kohlhof

Abonnieren

Follow us